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Erzbistum Paderborn
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Unser Glaube
01. April 2021

Karfreitag ist Alltag, Ostern ein Geschenk

Ein Beitrag von Michael Hillenkamp, Diözesanbeauftragter für die Telefonseelsorge

Leiden, Tod und Auferstehung Jesu sind die bestimmenden Themen der drei österlichen Tage. Leiden, Tod und Auferstehung sind zugleich Erfahrungen, die in jedem menschlichen Leben vorkommen können. Michael Hillenkamp ist Diözesanbeauftragter für die Telefonseelsorge im Erzbistum Paderborn. Ihm begegnen diese Erfahrungen in seiner täglichen Arbeit. Im Theologischen Beitrag der aktuellen Ausgabe des erzblatts, dem Magazin der Mitarbeitenden in den Einrichtungen des Erzbistums Paderborn, hat er darüber berichtet.

Karfreitagserfahrungen

Karfreitag ereignet sich immer und überall und markiert eine menschliche Grunderfahrung. In den Gesprächen mit der Telefonseelsorge geht es nicht immer, aber immer wieder um intensive Erfahrungen mit Leid und Leiden. Etwa, wenn ein Familienvater anruft, der mit unklaren Symptomen ins Krankenhaus gekommen ist und dort die Diagnose erhält: inoperabler Hirntumor. In seiner Not weiß er nun nicht, wie, wann und ob er darüber mit seiner Frau reden soll. Oder es meldet sich online eine Studentin, deren Beziehung zerbrochen ist und die ihre zerstörten Träume und quälenden Gedanken sortieren will. Oder wir sprechen mit einer alten, pflegebedürftigen Dame, die sich in ihrem Altenheim einsam und gottverlassen fühlt. Ich könnte die Beispiele ungezählt fortsetzen.

Karfreitag in der Bibel – Karfreitag heute

Wenn ich die biblischen Texte lese und dann auf unsere Arbeit schaue, so geht es bei beiden um tiefe Verlassenheit sowie darum, Beschämung, Spott und Häme ausgesetzt zu sein. In der seelsorglichen Arbeit wissen wir, dass diese Erfahrungen schwer auszuhalten sind. Wenn wegbricht, was mich trägt, sei es eine tiefe innere Überzeugung, seien es wichtige Beziehungen, dann ist das eine schwere Last.

Laut Matthäus-Evangelium schreit Jesus am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt, 26, 47). In Gesprächen hört sich das so an: „Ich falle ins Bodenlose …“ oder „Jetzt ist alles zu Ende!“ Die Erfahrungen der Frauen und Jünger, die mit Schmerz und Leid  unmittelbar konfrontiert sind, sind am ehesten mit den Erfahrungen der Menschen vergleichbar, die sich bei der Telefonseelsorge melden.

Aber da ist auch dieser Pontius Pilatus, der sich die Hände wäscht, um nicht in Verantwortung eingebunden zu werden. Der Wunsch, nicht verantwortlich und rechenschaftspflichtig zu sein, ist seelsorgerlich eher eine schwierige Konstellation. Es ergeben sich auch nicht viele Gespräche mit diesen Menschen, da sie zu ihrem Tun oft kein inneres Erleben entwickeln und erst dann Kontakt suchen, wenn sie eine Art von Lebensbilanz ziehen oder selbst in großen Nöten stecken.

Dann beschäftigt mich natürlich die Person des Judas, des Verräters, des besonders Begeisterten, des treuesten Anhängers, der aus tiefster Überzeugung handelt und dann letztlich doch über Leichen geht. Wie in einer Randnotiz wird davon berichtet, dass er bereut und sich selbst die Höchststrafe auferlegt, den Tod durch Erhängen. Judas ist ein Mensch mit tiefen Enttäuschungen und der Überzeugung, dass sein Tun richtig ist. Diese Tragik und Verstrickung finden wir auch im eigenen Leben. Es geht letztlich um die Frage, wie es weitergehen kann, wie zukünftiges Leben gelebt werden könnte. Erich Fried beschreibt dies literarisch ganz dicht:

„Die Zukunft liegt nicht darin, dass man an sie glaubt oder nicht an sie glaubt, sondern darin, dass man sie vorbereitet. Die Vorbereitung besteht nicht darin, dass man nicht mehr zurückblickt, sondern darin, dass man sich zugibt, was man sieht beim Zurückblicken, und mit diesem Bild vor Augen auch etwas anderes tut als zurückblicken.“

Karsamstagserfahrungen

Karsamstag kann nur erfahrbar werden, wenn ich Ostern nicht schon im Hinterkopf habe. Dieser Tag zwischen Leid und Auferstehung spricht vom Leben nach einer Katastrophe. Wenn unsere Träume und Wünsche, wenn tiefe Beziehungen abrupt enden, zerplatzen oder tief verletzt werden, dann ist Karsamstag. Das Spüren der Schmerzen, die Pein der Einsamkeit, der Tod unserer tiefen Sehnsüchte und menschlichen Hoffnungen. Das ist dann keine gesammelte Ruhe oder aktives Zusammenkehren meiner Lebensscherben; es gibt nur Ödnis und ein völliges Abgeschnitten-sein von der Welt. Den Karsamstag im eigenen Leben auszuhalten und bei anderen zu begleiten, gehört für mich zur „anspruchsvollen Kategorie“ seelsorglicher Arbeit. Ob Depression, schmerzhafte Abschiede, untröstliche Trauer oder schuldhafte Verstrickungen; der eigene Karsamstag ist unendlich lang und kann nur selbst ausgehalten werden. In der Bibel sind es übrigens die Frauen, die sich in die wirkliche Todeszone menschlicher Existenz aufmachen.

Ostererfahrungen

Als Messdiener fand ich sehr spannend, wenn in der Osternacht die eine, erste Kerze entzündet wurde. Nur ein kleiner Docht und doch verändert sich die Welt. Das Licht fokussiert den Blick, alles Nahe ist im Bereich des Scheins gut zu sehen und darüber hinaus vieles zumindest schemenhaft zu erahnen. Ostern beginnt dann, wenn ich im toten Leben wieder Kontakt zur Welt bekomme und nicht mehr im Dunkel der eigenen Ängste stehe. Für mich gehört unbedingt die Emmausgeschichte des zweiten Ostertages dazu. Dass etwas Neues im eigenen Leben Platz haben darf, ist oft so unerhört und „unmöglich denkbar“, dass es Zeit, Gespräche und eine lange Inkorporation braucht. Nichtverstehen und Unglauben sind die selbstverständlichen Begleiter, wenn Menschen sich neu ins Leben wagen. Begreifen braucht Zeit und fällt nicht einfach vom Himmel, sondern ist ein Geschenk, das sich durch und nach heilenden Begegnungen ergeben kann.

Der Autor

Michael Hillenkamp ist Diözesanbeauftragter für die Telefonseelsorge im Erzbistum Paderborn.

Die Telefonseelsorge ist unter den folgenden Nummern erreichbar

Tel. 0800 1110111

Tel. 0800 1110222

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