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Erzbistum Paderborn
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© Dekanat Siegen
"Gib Frieden" lautet das Motto der Hungertuchwallfahrt 2020. Interview mit Mitbegründer Jochen Voß aus Olpe.

Hungertuchwallfahrt atmet Geist der Freiheit und Solidarität

"Gib Frieden" lautet das Motto der Hungertuchwallfahrt 2020. Interview mit Mitbegründer Jochen Voß aus Olpe.

Zum bereits 25. Mal werden Frauen und Männer aus dem Erzbistum Paderborn die Hungertuchwallfahrt vom 25. Februar bis 1. März 2020 zur Eröffnung der MISEREOR-Fastenaktion in Erfurt begleiten. Mit der Aktion „Gib Frieden“ möchte MISEREOR alle Menschen dazu bewegen, Perspektiven für ein Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Identität zu entwickeln.

Organisatoren und Begleiter der Wallfahrt sind der Siegener Dekanatsreferent Christoph Schüttler, Dechant Karl-Hans Köhle sowie Jochen Voß, der zu den Mitbegründern der Hungertuchwallfahrt gehört. Warum es Mut macht, für Gerechtigkeit und Frieden einzustehen und Perspektiven für ein gelingendes Zusammenleben zu entwickeln, werden die Teilnehmenden bei der Hungertuchwallfahrt 2020 erleben, die sich dann von Creuzburg nach Erfurt auf den Weg machen.

Mit Jochen Voß aus Olpe unterhielt sich Redakteur Ronald Pfaff, warum es lohnenswert ist, sich an der Aktion über Jahre hinaus zu beteiligen.

Vita Jochen Voß

Jochen Voss wurde am 19. August 1954 in Olpe geboren. Er arbeitet seit 40 Jahren in der Weiterbildung, Organisations- und Personalentwicklung in kommunalen, sozialen und kirchlichen Institutionen.
Seit 1979 war er zunächst Regionalreferent und Gemeindeberater im Erzbistum Paderborn. 2004 hat er die Leitung der Akademie Biggesee in Attendorn übernommen. Im Dezember 2007 wurde Voß Leiter der Volkshochschule des Kreises Olpe. Im Kontext der pädagogischen und organisatorischen Leitung hat er die VHS als Weiterbildungszentrum der Städte und Gemeinden bedarfsgerecht und nachhaltig entwickelt.
Jochen Voss ist Diplomtheologe und Betriebswirt. Er absolvierte Zusatzstudien in Sozialpsychologie und Erwachsenenpädagogik. Begleitend zur beruflichen Praxis hat sich Jochen Voss in einer längerfristigen Ausbildung im Bereich Führung und Management von Organisationen qualifiziert. Ein Intervalltraining in systemischer Organisationsberatung komplettiert die breite fachliche und methodische Ausbildung.
Seit fast 40 Jahren ist er glücklich verheiratet, Vater von zwei 36jährigen Töchtern und inzwischen Opa von 6 Enkeln.
Ehrenamtlich engagiert Jochen Voß sich als Fachberater Seelsorge der Freiwilligen Feuerwehr Olpe. Seit fast 25 Jahren organisiert und führt er Wanderungen, Radtouren und Wallfahrten u.a. die jährliche MISEREOR-Hungertuchwallfahrt.

Redaktion

Sehr geehrter Herr Voß, Sie gehören zu den Gründungsmitgliedern der Hungertuchaktion im Dekanat Siegen. Was waren vor einem Vierteljahrhundert die Beweggründe? Was waren Ihre persönlichen Impulse?

Jochen Voß

Die Hungertuchwallfahrt im Erzbistum Paderborn ist ursprünglich ein Gemeinschaftsprojekt der Seelsorgeregionen Ruhr Mark und Siegerland-Südsauerland. Hermann-Josef Günther, bis 2016 Regional- bzw. Dekanatsreferent in Siegen und ich hatten 1994 eine Hungertuchwallfahrt die MISEREOR selbst veranstaltet, hier im Südsauerland an Bigge- und Listersee vorbei nach Hunswinkel begleitet und dabei gesehen: Das können wir auch, aber anders und besser. Volk Gottes unterwegs, das war uns ein Kirchenbild von Konzil und Synode, das spirituelle Tiefendimension, Bewegung und offene Horizonte gleichzeitig beinhaltete. Als dann 1996 die Eröffnung der MISEREOER- Fastenaktion in Paderborn stattfinden sollte, haben wir die Idee umgesetzt und eine 4-tägige Sternwallfahrt geplant.

Wir sind dann von Hagen und Siegen getrennt gestartet und durch das Märkische bzw. das Hochsauerland gepilgert. Das waren beeindruckende Erfahrungen: Tiefer Winter, 17, 19°minus, hoher Schnee, zugewehte Wanderwege überall im Sauerland. In Etteln sind die 2 Gruppen von jeweils 25 Personen dann zusammengetroffen und bei klirrend kalten, aber sonnigen  Winterwetter gemeinsam die letzte Strecke zum Dom nach Paderborn gelaufen. Alle Beteiligten waren hoch zufrieden. Der Mehrwert, der dabei entstanden war, hat uns überzeugt, das Projekt in Zukunft gemeinsam zu realisieren. Zunächst weiter hauptberuflich über die Regionalbüros, später dann  ehrenamtlich. Nach dem Ende der Seelsorgeregionen wurde das Dekanatsbüro Siegen Geschäftsstelle für die HTW, wie wir sie abkürzen. Seitdem, jetzt zum 25ten Mal, brechen Menschen aus dem östlichen Ruhrgebiet, aus Olpe und Siegen sowie viele anderen Orten immer wieder nach Karneval auf, um Körper und Geist auf die Fastenzeit einzustimmen.

In vielen kleinen Schritten entdecken sie drei Dimensionen des wandernden Gottesvolkes: Die existenzielle Dimension, dass jede und jeder bei all den Herausforderungen, Durststrecken, Beschwerden und körperlichen Mühen des Lebens ein gesetztes Ziel erreichen kann. Die kommunikative Dimension, dass wir miteinander unterwegs sind, uns gegenseitig helfen, aufeinander warten und auf engem Raum zusammen leben. Und die religiöse Dimension, dass Gott und seine Nähe erfahrbar wird, ja er selbst sich sogar als Weg anbietet. Ich-Wir-Gott. Dieses spirituelle Dreieck der Wallfahrerinnen und Wallfahrer wird hautnah gelebt und erfahren: Wenn du etwas für einen dieser Punkte tust, bewegst du automatisch etwas für die beiden anderen.

Redaktion

Zum 25. Mal findet im Februar 2020 die Hungertuchaktion statt. Erinnern Sie sich an besondere Ereignisse oder außergewöhnliche Wallfahrten in dieser doch langen Zeit?

Jochen Voß

Mit 50, 60 Menschen unterwegs zu sein, 25, 30 km am Tag zu wandern und auf engstem Raum zu leben, ist an sich schon ein Abenteuer. Wir haben in den 25 Jahren vieles erlebt: Sintflutartigen Regen vom ersten bis zum letzten Tag, Glatteis ohne Ende, Tiefschnee in der Lüneburger Heide, Stürme auf bayrischen Hochflächen, die es notwendig machten, sich gegenseitig festzuhalten. Wir haben Unterkünfte auf Truppenübungsplätzen, in Feuerwehrgerätehäusern oder Schützenhallen erlebt, haben Pausen in  Reiterwachen, Scheunen und Schafställen gemacht. Gerade diese unkonventionelle Enge und Nähe, das Improvisieren, die Ungewissheit von Strecken, das Gruppenerleben, aber auch die Erfahrungen von körperlichen und mentalen Grenzen machen das Besondere der Hungertuchwallfahrten aus für Menschen, die ansonsten gut situiert und sicher einen anderen Stil leben. Wir haben seitdem über 2500 km unter die Füße genommen, kreuz und quer durch Deutschland. In der Apostelgeschichte (9,2) werden Christen Anhänger des Weges genannt. Unsere Mitpilger werden Anhänger des Weges, weil sie mit Kopf, Herz und Körper unterwegs sind, für sich und mit anderen den Weg der Veränderung gehen.

Redaktion

Welches Motto der Hungertuchwallfahrt hat Sie persönlich am meisten berührt?

Jochen Voß

Am meisten berührt und nachhaltig motiviert hat mich das Motto „Mit Zorn und Zärtlichkeit an der Seite der Armen“. Das war 2008, zum 50-jährigen Jubiläum von MISEREOR. Gemeint ist damit, dass wir nicht  aufs Himmelreich warten dürfen, sondern hier und heute für Gerechtigkeit sorgen. Die Nachfolge Jesu findet an der Seite der Armen und Armgemachten statt; oder sie findet gar nicht statt! Zorn soll uns zum Handeln treiben, Zärtlichkeit uns immer wieder herausfordern,  Ursachen von entwürdigenden Situationen zu suchen, Menschen zu verstehen und für einen neuen, anderen Weg zu gewinnen.

Redaktion

Was macht den Zuspruch der Hungerwallfahrt über all die Jahre aus? Kirchenbesucher werden weniger, die gemeinsame Wallfahrt erfreut sich konstanter Teilnehmerzahlen.

Jochen Voß

Das stimmt. Jedes Jahr haben wir eine lange Warteliste. Wir haben die Teilnehmerzahl sogar ein, zweimal auf 70 hochgeschraubt…doch da waren wir im Gelände nicht mehr beweglich, die Gruppe zu groß. Wir nehmen jedes Jahr so viele Menschen wie möglich mit. Warum die Nachfrage so hoch ist? Da sind zunächst die Dimensionen von Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, die wir in all den Jahren durchgängig immer wieder antriggern. Vor allem aber atmet die Hungertuchwallfahrt den Geist der Freiheit und Solidarität. Hier in Deutschland haben wir innerkirchlich gerade Themen wie Missbrauch, Zölibat etc. auf dem Schirm. Doch die Menschen fordern und sehnen sich nach etwas ganz anderem: einer offenen, bewegten, phantasievollen Kirche. Die Themen, die der aktuelle “synodalen Weg” der deutschen Bischöfe und Laien bearbeiten will, haben uns immer schon bewegt. In den 90er Jahren haben wir im Ruhrgebiet ein Synodales Forum in Bewegung gebracht. Viele Ehrenamtlich waren mit uns unterwegs. Doch dann sind wir an die gleichen Grenzen gestoßen, die Kardinal Marx, mit dem ich in den siebziger Jahren in Paderborn zusammen studiert habe, jetzt auch erfährt: Unbeweglichkeit, Hartherzigkeit, Klerikalismus, das Beharren auf Dogmen und Recht. Bei den Hungertuchwallfahrten sind wir ganz anders unterwegs: Wallfahrer/innen verlassen sichere, geschützte Räume, halten nicht am Herkömmlichen und Gewohnten fest, gehen neue, fremde Wege, eröffnen sich und anderen neue spirituelle und geistige Horizonte.

Redaktion

Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit dem Thema “Gib Frieden” bei der Hungerwallfahrt 2020 und dem geplanten Wallfahrtsweg?

Jochen Voß

Die Fastenaktion 2020 und das Motto „Gib Frieden“ stellt mit Syrien und Libanon eine Region in den Mittelpunkt, die von großer religiöser, kultureller Vielfalt und vielen Konflikten geprägt ist. Der Weg führt uns nach Erfurt, einer Stadt mit besonderer spiritueller und konfessioneller Bedeutung. Und: Wir sind 25. Mal unterwegs. Doch zum 1. Mal erst führt uns die Eröffnung der Fastenaktion in den Osten Deutschlands. Damit verbinde ich die Hoffnung,  dass wir Perspektiven für das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Identität entwickeln. Gerade in unserem Land belasten viele Veränderungsprozesse den gesellschaftlichen Zusammenhalt, begünstigen soziale und ökonomische Spaltungen. Unsicherheiten und zunehmende Zukunfts- und Abstiegsängste sind zu beobachten. Politische wie religiöse Radikalisierungen nehmen zu. Diesen Tendenzen zu begegnen, einem weiteren Auseinanderdriften unserer Gesellschaft entgegenzuwirken, das geht nur durch Zusammenleben und Zusammenhalten. Ob in Syrien, im Libanon oder in Deutschland: Es gilt, sich für eine freie, offene und gerechte Gesellschaft zu engagieren….damit Frieden wachsen kann.

Redaktion

Bitte vervollständigen Sie den Satz: “Die Hungertuchwallfahrt ist für mich….

Jochen Voß

Lassen Sie mich stattdessen ein kleines Gedicht von Isabella Schneider anführen, das mich seit vielen Jahren beim Pilgern begleitet und den Geist der Hungertuchwallfahrt wunderbar transportiert:

Den Staub aus den Ritzen klopfen
und die Tage mal wieder
gegen den Strich bürsten,
dem Wind die Spinnweben schenken
und alles andere dazu
und in den Gedanken
eine Luke aufstoßen
ins Blaue,
wo die Sterne wachsen,
kopfüber
ins Licht.

Die Hungertuchwallfahrt "Gib Frieden" vom 25. Februar bis 1. März 2020 endet mit der Eröffnung der MISEREOR-Fastenaktion im Dom zu Erfurt.

Anmeldungen und Rückfragen:

Dekanatsbüro Siegen, Häutebachweg 5, 57072 Siegen.

Tel.: 0271- 303710-10

Email: info@dekanat-siegen.de

Organisation:

Christoph Schüttler, Jochen Voß und Dechant Karl-Hans Köhle.

Die Wallfahrt wird durch den Malteser-Hilfsdienst Olpe begleitet.

Tagesablauf der Wallfahrt:

1. Tag: Veilchendienstag, 25. Februar 2020

Anreise mit dem Bus 6:00 Uhr ab Hagen, 7:00 Uhr ab Olpe

7:30 Uhr ab Siegen

11:00 Uhr Startgottesdienst in Creuzburg

Vom Todesstreifen zur Lebenslinie – Panoramaweg an der ehemaligen

innerdeutschen Grenze

Charakter: zum Einlaufen; Strecke: ca. 13 km

Quartier: Jugendherberge „Urwald Life Camp“, Lauterbach

 

2. Tag: Aschermittwoch, 26. Februar 2020

Durch den Naturpark Hainich

Charakter: anspruchsvolles „Wandersahnestück“ in Deutschlands

größtem Buchenurwald; Strecke: ca. 28 km

Quartier: Stadthalle Bad Langensalza

 

3. Tag: Donnerstag, 27. Februar 2020

In die Ebenen der Unstruth

Charakter: flache und offene Wanderstrecke; Strecke: ca. 28 km

Quartier: Friedenstein Kaserne, Gotha

 

4. Tag: Freitag, 28. Februar 2020

Vorbei an den „Drei Gleichen“ nach Erfurt

Charakter: die Mühen der Ebene; Strecke: ca. 27 km

Quartier: IBIS Hotel Erfurt

 

5. Tag: Samstag, 29. Februar 2020

Im thüringischen Rom

Charakter: ein Weg der Erfahrung zum Auslaufen und Ankommen;

Strecke: 12 km

Zusammentreffen mit anderer Hungertuchwallfahrergruppe

und Gottesdienst

 

6. Tag: Sonntag, 1. März 2020

Teilnahme am MISEREOR Eröffnungsgottesdienst Anschl.

Empfang etc.

Gegen 14:00 Uhr Rückfahrt mit dem Bus

Gegen 18:00 Uhr an Siegen, 18.30 Uhr an Olpe, 19.30 Uhr an

Hagen

Treffen zur Vorbereitung:

21. Januar 2020, 19 Uhr, im Pfarrheim St. Joseph in Siegen-Weidenau.

23. Januar 2020, 19 Uhr, im Gemeindezentrum St. Johannes in Hagen-Boele.

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