Die Jugendkirche in Hardehausen voll mit jungen Menschen.
Die Jugendkirche in Hardehausen voll mit jungen Menschen.
04.10.2021
YOUNG MISSION

Eine Kirche voller junger Menschen

"Rise and Shine" – unter diesem Motto hat das YOUNG MISSION-Weekend am 2. und 3. Oktober 2021 im Jugendhaus Hardehausen stattgefunden.

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Text von Cornelius Stiegemann
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Fotos von Dirk Lankowski

Vor den großen Fenstern, die sonst das Sonnenlicht in den Kirchenraum lassen, ist es dunkel. Drinnen ist die Beleuchtung gedimmt. Weihrauchschwaden schweben im Lichtstrahl des Beamers, der Liedzeilen an die Wand wirft. Man spürt die Anwesenheit der Jugendlichen, die die Kirche füllen, mehr, als dass man sie sieht. Aber man hört sie definitiv. Laut und begeistert singen sie Worship-Songs. Dann wandert Kerzenlicht durch die Reihen, ein Docht nach dem anderen entflammt und taucht die Menschen, die sie halten, in goldenes Licht.

Was hier gefeiert wird? Eine Vigil. Die nächtliche Gebetswache gilt vielen als der heimliche Höhepunkt des YOUNG MISSION-Weekends, das an diesem Wochenende in Hardehausen stattgefunden hat – nach Corona-bedingter Pause für 120 Jugendliche endlich wieder live vor Ort. Die Initiative Young Mission wurde nach dem Weltjugendtag 2013 in Rio de Janeiro gegründet. Sie will auf diözesaner Ebene weitertragen, was die Jugendlichen bei diesen Glaubensgroßveranstaltungen erfahren haben.

Teamerin Marie

Mit Gleichaltrigen den Glauben feiern

Es verwundert nicht, dass viele der Jugendlichen nach der Teilnahme an einem Weltjugendtag auf YOUNG MISSION aufmerksam geworden sind. So war es zum Beispiel bei Marie. In Hardehausen erlebe sie jedes Mal ein „Mini-Weltjugendtag-Gefühl“, sagt die 22-Jährige. Hier könne sie in Gemeinschaft mit Gleichaltrigen ihren Glauben feiern und Kraft tanken für ihren Alltag. Es geht ihr aber auch darum, die eigene Begeisterung weiterzugeben. Dafür engagiert sie sich im Katecheseteam und moderiert am Sonntagvormittag die Gespräche mit den Glaubenszeugen. Die sollen den Jugendlichen zeigen, wie vielfältig gelebter Glaube aussehen kann.

Lennart ist kein typischer Sonntagskirchgänger. An seinem Wohnort habe er bisher keinen Anschluss an eine Gemeinde gefunden. Auch, weil es dort keine Gruppe junger Menschen gibt, die sich treffen, um ihren Glauben zu teilen. Dafür kommt er aber schon seit Jahren zum YOUNG MISSION-Weekend. Wie Marie brachte auch bei ihm ein Weltjugendtag den Stein ins Rollen. In Hardehausen habe er Gleichgesinnte getroffen, die – wie er – so begeistert von der Atmosphäre waren, dass sie immer wiederkamen. So entstanden Freundschaften. Der Eventcharakter der Veranstaltung spielt für ihn eine wichtige Rolle, weil so Jugendliche aus ganz unterschiedlichen Teilen des Erzbistums zueinanderfinden.

Lichtweitergabe

Erst singen, dann Stille

Die Band spielt einen Worship-Song, man bemerkt kaum, wie Jugendpfarrer Stephan Schröder aufgestanden und in die Sakramentskapelle gegangen ist. Dann steht plötzlich die Monstranz auf dem Altar, in einem kleinen Meer aus Kerzen. Alle knien sich hin. Und es wird ein uralter Gesang angestimmt: Der Hymnus „Tantum ergo sacramentum“. Er ist auf Latein, nicht unbedingt Jugendsprache. Doch genauso wie sie vorher die Lobpreislieder mitgesungen haben, singen die Jugendlichen jetzt die lateinischen Verse aus dem Mittelalter. Laut und genauso begeistert.

Auf den Hymnus folgt Stille: Die Anbetung der Eucharistie. Das dürfte auch für die ungewohnt sein, die sonst normal am Gemeindegottesdienst teilnehmen. Die Vigilfeier samt Anbetung sei im Zusammenhang mit den Weltjugendtagen wiederentdeckt worden, sagt Stephan Schröder. Marie und Lennart kennen diese „auf Christus ausgerichtete Nachtwache“ also schon. Und für alle, denen diese Form der Verehrung bisher noch gar nicht begegnet ist, liegen kleine gelbe Zettel aus: Eine Hilfestellung für die Zwiesprache mit Gott.

»Ich bin jedes Mal wieder erstaunt, wie diese uralte Form der Vigil die jungen Menschen berührt.«

Stephan Schröder
Diözesanjugendpfarrer des Erzbistums und
Direktor des Jugendhauses Hardehausen

Stephan Schröder

„Ich bin jedes Mal wieder erstaunt, wie diese uralte Form der Vigil die jungen Menschen berührt“, sagt Stephan Schröder. Das Kerzenlicht, die gemeinsam gesungenen Lieder, die Stille bei der Anbetung, das sei so anders als das, was sie in ihrem Alltag erleben würden. „In der Vigilfeier werden einfach Emotionen berührt.“ Und vielleicht führt das, so hofft es zumindest der Jugendpfarrer, für den einen oder die andere zu einer Begegnung mit Christus.

Wie hält man eine Jugendinitiative jung?

Seit 2014 haben mittlerweile 19 YOUNG MISSION-Weekends stattgefunden. Aus den Teilnehmenden der ersten Stunde sind junge Erwachsene geworden. Grund genug zu fragen, wie jung diese Jugendveranstaltung eigentlich noch ist. Er selbst sei mit der Veranstaltung alt geworden, sagt Stephan Schröder und lacht. Als Jugendpfarrer begleitet er das Projekt von Anfang an. „Doch das Schöne ist: Es kommen immer wieder neue Menschen dazu. Wir haben auch den Eindruck, dass die Veranstaltung immer jünger wird.“ Immer mehr Teenager melden sich an.

Sein Geheimrezept dafür, dass YOUNG MISSION wirklich jung bleibt: Offenheit. Auch im Bereich der kirchlichen Jugendarbeit gebe es Initiativen, bei denen die Gründungsmitglieder unter sich blieben oder sich gegen jede Veränderung wehrten. „Wir hingegen haben immer gesagt: Wir wollen ganz nah an den Menschen sein und uns immer weiterentwickeln“, sagt Schröder. Dafür wurde das Programm des Weekends immer wieder angepasst. Sonntagsmorgens gab es früher noch Katechesen, die wurden dann durch das Format der Glaubensgeschichten ersetzt, das durch eingespielte Videos und die – von Marie geführten – Interviews aufgelockert werden. Und für die, die sich zwischen all den 16-Jährigen langsam zu alt fühlten, gebe es seit drei Jahren die Credo-Convention als ergänzendes Format.

Gespräche in Kleingruppen

Das Team tut einiges, um immer wieder neue Jugendliche zu gewinnen. Doch was sagen die dazu, die das erste Mal dabei sind? Weltjugendtage finden nur alle drei Jahre statt, Corona hat lange Zeit andere Jugendtreffen unmöglich gemacht. Doch die Pandemie kann auch dazu führen, dass die eigene Glaubenssuche intensiviert wird. So war es bei Lena. Die 16-Jährige hat im Frühjahr einen Alphakurs gemacht, in Vorbereitung auf Ostern mit einer Freundin täglich die entsprechende Stelle der Passionsgeschichte gelesen. Binnen eines Jahres sei ihr der Glaube „superwichtig“ geworden, sagt sie. Ihre Eltern hätten sie nie in die Kirche gezwungen, das sei ihre eigene Entscheidung. Am YOUNG MISSION-Weekend fasziniere sie, dass sie hier auf vollkommen fremde Menschen treffe, die ihren Glauben teilten und ihr auf Anhieb sympathisch seien.

Bei Weihrauch und Kerzenschein „richtig wohlgefühlt“

Teilnehmerin Jana hat durch ihre Freundin vom YOUNG MISSION-Weekend erfahren. Ihre Eltern seien zwar russisch-orthodox, aber „der Glaube war kein Thema“. Mit einer katholischen Freundin besuche sie in Bielefeld die offene Jugendgruppe einer freien evangelischen Gemeinde. Die Gemeinschaft und das Singen dort habe etwas in ihr ausgelöst. Deshalb habe sie ihre Freundin auch zum YOUNG MISSION-Weekend begleitet. „Ich habe das Gefühl, ich brauche diese Gemeinschaft von Christen, die habe ich zuhause nicht.“ Bei der Vigil habe sie sich „richtig wohlgefühlt. Die Kerzen, der Weihrauch, das war wie bei orthodoxen Gottesdiensten.“

Leise setzt das Klavier wieder ein. Auf die Stille der Anbetung folgt wieder Musik. Die Vigil endet. Doch es rennen nicht gleich alle aus der Kirche. Viele der Teilnehmenden bleiben sitzen, gehen in den Gebetsturm, suchen das Gespräch mit einem der anwesenden Priester, lassen die Situation auf sich wirken. Hardehausen spreche die Jugendlichen als „starker Ort des Gebets“ an, ist Stephan Schröder überzeugt. Irgendwann verlassen auch die letzten Nachzügler das Gotteshaus. Sie finden die, die ihnen schon vorausgegangen sind, im Kornhaus. Da läuft dann Charts-Musik statt Lobpreis, es wird getanzt und gefeiert. Auch das gehört zum YOUNG MISSION-Weekend.


Fotos: Dirk Lankowski

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