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Unser Glaube
14. März 2020

Eine Karateschule im Kloster

Themenspecial „Frühlingserwachen“: Benediktiner-Bruder Marcus unterrichtet Karate in der Abtei Königsmünster

Themenspecial „Frühlingserwachen“: Benediktiner-Bruder Marcus unterrichtet Karate in der Abtei Königsmünster

Im weißen Karateanzug steht Marcus Görl auf frischverlegtem Holzparkett in seinem Übungsraum, dem sogenannten Dojo. Um ihn herum toben 17 Kinder; sie spielen, lachen, laufen von links nach rechts und wieder zurück. Der Karatemeister schlägt den Gong – und lässt damit alle Schreie und Rufe urplötzlich verstummen. Die Karateschüler setzen sich in Reih und Glied hinter ihn, kommen zur Ruhe und konzentrieren sich. Mit der Meditation beginnt nun die heutige Übungsstunde.

Es ist keine gewöhnliche Karateschule, in der Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene hier die Kampfkunst erlernen können. Denn das Dojo, vorher in der Innenstadt beheimatet, befindet sich seit Anfang des Jahres in der Abtei Königsmünster in Meschede. Für die montags bis freitags stattfindenden Kurse tauscht Marcus Görl seinen dunklen Benediktiner-Habit gegen den weißen Karateanzug, aus Bruder Marcus wird „Sensei“, der Lehrer.

Karate, das sei kein Kampfsport, wie es so oft in Filmen dargestellt werde. Und auch kein Wettkampfsport, bei dem es nur um reines Schlagen und Treten gehe. „Es ist eine Kunst, bei der ich mich selbst betrachte. Wir haben ein hohes Maß an Disziplin und Perfektion“, sagt Bruder Marcus. Genau das will er auch seinen Schülern mit auf den Weg geben. Sich selbst verteidigen, das komme beim Karate lediglich an zweiter Stelle. Übersetzt bedeute „Karate Do“ schließlich auch „Weg der leeren Hand“. Mit Gewalt habe es überhaupt nichts zu tun.

Bruder Marcus (links) mit seinen Karateschülern. Foto: Kupitz

Ruhig sitzen – gar nicht so einfach

Bruder Marcus, 43 Jahre alt, fing mit sieben Jahren an, Karate auszuüben. „Ich war asthma-krank, da tat Karate meiner Gesundheit besonders gut. Ich bin quasi mit Karate großgeworden.“ Weil es so viel Spaß machte, blieb er dabei. Mit 18 Jahren ging er nach Japan, um seinen ersten schwarzen Gürtel zu machen. „Dort habe ich verschiedene Zen-Klöster besucht. Da ist auch der Wunsch gewachsen, selbst ins Kloster zu gehen.“ Als 21-Jähriger schloss sich Marcus Görl der Abtei Königsmünster an. Karate ließ ihn dennoch nicht los. In Meschede eröffnete er Jahre später dann auch seine eigene Karateschule, die jetzt in der Abtei Königsmünster ebenfalls eine Heimat auf dem Klosterberg fand.

Wie ein Lehrer muss auch Marcus Görl hier und da streng mit seinen Schülern reden, wenn zum Beispiel die Konzentration verloren geht. „Ruhig sitzen und meditieren – das ist für Kinder, die natürlich teils sehr aktiv sind, gar nicht so einfach“, erklärt er. Aber auch das gehört zum Karate, ebenso wie die Schrittfolgen, die nach dem Aufwärmen langsam einstudiert werden. „Die Schüler sollen sich als Ganzes sehen. Wie ein Spiegel alles widerspiegelt, so sollen auch die Schüler ihr Ich wahrnehmen“, sagt Bruder Marcus. Sich zu finden, Gott zu suchen: Auch darum gehe es beim Karate. „Und genau das ist auch sehr benediktinisch. Ich kann das nur tun, wenn ich mich selbst finden kann. Das zu erreichen, ist eine hohe Kunst.“

Ohnehin gebe es viele Parallelen zwischen dem christlichen Glauben und dem Leben im Kloster sowie der buddhistisch geprägten Kampfkunst Karate, nicht nur der gewaltverneinende Gedanke. Beide entspringen einer spirituellen Natur und vereinen Aspekte wie Gelassenheit, Respekt oder Bescheidenheit. „Für mich kann der eine Schuh ohne den anderen nicht richtig laufen. Es lässt sich wunderbar miteinander verbinden“, so Bruder Marcus.

Wer Karate ausübt, lernt viel – auch über sich selbst. Seit acht Jahren lernt Hannes Friedrichs aus Nuttlar bei Bruder Marcus. Der 19-Jährige trainiert in der Jugendgruppe, hilft dem Benediktiner aber dieses Mal bei der Übungsstunde für Kinder. „Bevor ich Karate gemacht habe, war ich immer hibbelig. Jetzt bin ich viel ruhiger und auch selbstbewusster“, erklärt er. Besonders das Meditieren hebt er hervor. „Dabei lässt man einfach seinen Geist frei. Das ist mal was total anderes als andere Sportarten wie Fußball.“

Glaube und Karate – ein lebenslages Lernen

Zur Übungsstunde darf jeder kommen. Nicht nur Christen, auch andere Religionen sind in der klösterlichen Karateschule willkommen. „Ein Ziel ist es, das Christentum und den Islam in den Dialog zu bringen und zu zeigen, dass uns nur ein kleiner roter Faden trennt“, erklärt Bruder Marcus. „Man merkt, dass uns viel verbindet.“ Bruder Marcus begleitet seine Schüler auf ihrem Lebensweg. Denn wie der Glaube, sei auch Karate mit lebenslangem Lernen über sich und die ganze Welt verbunden.

Durch die Karateschule kommen die Kinder auch mit dem Leben im Kloster in Berührung. Bruder Marcus erzählt: „Die sind immer neugierig. Wenn ich im Habit komme, fragen sie: ‚Was ist das? Hast du das immer an? Wieso bist du im Kloster?‘ Die Fragen sind immer da.“ So kam es auch schon vor, dass Karateschüler im Kloster getauft wurden.

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