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Erzbistum Paderborn
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Unser Glaube
05. Oktober 2019

„Ehrenamtliche brauchen eine stärkere Lobby“

Zukunftsgespräch mit kfd-Präses Roland Schmitz und Hannah Ax, Referentin für Jugend und Junge Erwachsene

Themenspecial „5 Jahre Zukunftsbild“

Wohin führt die Zukunft der Kirche? Diese Frage stellt sich im Oktober anlässlich des Zukunftsbilds, das vor fünf Jahren veröffentlicht wurde, ganz drängend. Was verbindet die Christen im Erzbistum Paderborn? Was muss sich verbessern? In Zukunftsgesprächen sollen aktuelle Themen zur Zukunft der Kirche aus unterschiedlichen Blickwinkeln diskutiert werden. Zum Start, lautet das Thema: Geschlechtergerechtigkeit.

Frauen stemmen einen Großteil der ehrenamtlichen Arbeit in den Gemeinden des Erzbistums Paderborn, doch oft klagen sie über zu wenig Gleichberechtigung. Zeit, anlässlich des fünften Geburtstags des Zukunftsbilds über das Thema zu sprechen. Und zwar mit einem Mann, der sich für Frauenthemen einsetzt, und einer Frau, die sich in ihrer Arbeit für das Erzbistum Paderborn wohlfühlt: Roland Schmitz und Hannah Ax. Schmitz ist Präses des Diözesanverbands der katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und vertritt rund 100.000 Frauen, die sich im Erzbistum Paderborn engagieren. Ax unterstützt Mitarbeitende des Erzbistums, die Angebote für junge Menschen gestalten, im Dekanat Unna und als Referentin für Junge Erwachsene im Erzbischöflichen Generalvikariat.

Redaktion

Herr Schmitz, Sie tragen das purpurrote Kreuz der kfd als Anstecker an ihrer Jacke. Was bedeutet es?

Roland Schmitz

An dem Kreuz fehlt unten rechts eine Ecke. Die Idee dahinter ist, dass uns als kfd etwas in der Kirche fehlt – oder die anderen Ecken auch noch abgeschliffen werden müssten. Vor allem fordern wir eine geschlechtergerechtere Kirche.

Redaktion

Können Sie sich damit identifizieren, Frau Ax?

Hannah Ax

Das Kreuz war mir nicht geläufig. Die Idee, dass eine Ecke fehlt, finde ich charmant. Ich würde vielleicht noch ein paar mehr Ecken rausnehmen, weil mir noch mehr fehlen würde, wenn wir über (geschlechter)- gerechte Kirche sprechen

Redaktion

Was fehlt Ihnen denn?

Ax

Wir sollten nicht nur auf Frauen oder Männer schauen, sondern darauf, was Gerechtigkeit allgemein bedeutet. Wir als Menschen sind das Volk Gottes. Und genau dort liegt auch mein Fokus, es geht um den Menschen, nicht um Mann – Frau, schwarz – weiß. Wenn jemand sagt, dass er Kirche ist, dann ist dieser Mensch Teil des Volk Gottes – egal, wer oder wie er ist, weil er sich dazu entschieden hat.

Redaktion

Herr Schmitz, an welchen Ecken würden Sie gern schleifen?

Schmitz

Ich sehe, dass beim Thema Geschlechtergerechtigkeit einiges erreicht ist. Ich freue mich, dass viele Frauen in Leitungspositionen der Kirche arbeiten und dabei ihre Charismen einbringen. Mir persönlich fehlen Frauen in Weiheämtern. Ich gehe fest davon aus, dass es gemäß des Evangeliums wäre, Frauen zu weihen. Die Charismenlehre der Kirche sagt, dass Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche dazu berufen sind, ihre Charismen einzubringen – und immer wieder sind bestimmte Charismen an Ämter gebunden. Ich finde, dass wir Gott in seiner Entfaltungsmöglichkeit beschneiden, wenn wir nicht allen Menschen ermöglichen, ihre Charismen in den Weiheämtern zu entfalten.

Ax

Hannah Ax. Foto: Schulte

Ich denke, dass hier auch das Thema Entscheidungsgewalt im Raum steht.  Gerade bei Entscheidungsfindung braucht es Vielfältigkeit. In den Freiräumen, die es aktuell gibt, sollten wir so heterogen wie möglich agieren: jung, alt, verschiedene Professionen, die heile Familie, Patchwork und so weiter, möglichst viele Perspektiven an einen Tisch zu holen, um fundiert handeln zu können.

Redaktion

Fühlen Sie sich als Frau in der Kirche benachteiligt?

Ax

Ich fühle mich nicht benachteiligt. Ich habe coole Kollegen,  mit denen ich auf Augenhöhe zusammenarbeite. Nichtsdestotrotz kenne ich auch Kollegen, die Probleme hätten, gleichberechtigt mit Frauen zusammenzuarbeiten. Das ist aber kein Stigma der Kirche, denn das gibt es auch in anderen Systemen. Wenn ich mich im privaten Kontext benachteiligt fühlen würde, würde ich immer mutig reagieren. Angenommen, ich bereite einen Gottesdienst auf meine Art und Weise vor und der Priester würde das so nicht zulassen, weil die Liturgie sein Hoheitsbereich ist und bestimmte vorbereitete Dinge nicht richtig seien, würde ich entweder einfordern, dass ich als Teil der Kirche Gottesdienst gestalten darf oder mir einen anderen Raum suchen.

Redaktion

In dem Beispiel scheint jedoch weniger das Geschlecht, sondern eher die Ausübung der Macht ausschlaggebend zu sein…

Ax

Richtig.

Schmitz

Die Thematik ist im Prinzip nicht geschlechts-spezifisch und momentan eben doch. In kirchlichen Leitungspositionen sind Männer die Entscheider. Dazu ein Beispiel von gestern: Eine Frau hat einen Gottesdienst vorbereitet und den Ablauf acht Tage vorher an den Priester zur Abstimmung geschickt. Er hat sich nicht zurückgemeldet. Am Tag des Gottesdienstes trafen sich die beiden dann in der Sakristei und der Priester gab ihr den Ablauf zurück. Er hatte das rausgestrichen, was seiner Meinung nach falsch gewesen sei – und die Frau damit verletzt. Da fehlt mir das Miteinander auf Augenhöhe.

Redaktion

Wie kann das übergeordnete Ziel, mehr Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau in der Kirche zu schaffen, erreicht werden?

Ax

Wir müssen deutlich machen, welche Machtstrukturen wir haben und wer Macht missbraucht. Die Macht, die qua Amt gegeben wird, soll zum Dienst am Menschen da sein. Wir sollten beleuchten, aus welchen Gründen Macht ausgeübt wird, ob sie den Menschen dient, egozentrisch ist oder sich aus Angst oder Unsicherheit ableitet. Wenn jemand in unserem Sinne Macht missbraucht – und in seinem Sinne nicht – sollten wir das thematisieren, um es sprachfähig zu machen. Spannend ist, dass die jüngere Generation anders als die ältere Generation auf Machtmissbrauch reagiert. Junge Menschen sind mutiger. Wenn ihnen etwas nicht passt, dann gehen sie.

Redaktion

Wohin gehen junge Menschen dann?

Ax

Sie gehen weg von der Institution Kirche, aber nicht weg von Gott. Sie leben ihr Leben mit Gott – so, wie sie es für richtig halten. Ich kenne viele Menschen, denen es damit gut geht. Sie sind religiös, aber haben mit der Institution Kirche nichts am Hut, weil sie so fern ihrer Lebensrealität ist. Es wird Zeit, diesen Menschen einen Platz in der Kirche zu schaffen. Das passiert schon mehr oder weniger schnell – je nachdem wo man hinguckt.

 

Redaktion

Herr Schmitz, wie kann die Kirche ihrer Meinung nach mehr Geschlechtergerechtigkeit ermöglichen?

Schmitz

Für mich wäre viel getan – und das ist kirchenrechtlich möglich – wenn Laien die Gemeindeleitung übernehmen. Wir merken, dass unsere Kollegen in den Pfarreien am Anschlag sind. Dann ist es völlig egal, ob es Männer oder Frauen sind, die die Verwaltung organisieren, für Liturgie und Caritas sorgen. Da wäre viel an Partnerschaftlichkeit möglich.

Redaktion

Vor fünf Jahren wurde das Zukunftsbild für das Erzbistums Paderborn veröffentlicht. Es baut unter anderem auf Vertrauen und Verantwortung und der Berufung jedes einzelnen Christen auf. Was hat das Zukunftsbild in ihrer Arbeit ermöglicht?

Schmitz

Roland Schmitz. Foto: Schulte

Ich bemühe mich, das Zukunftsbild in meiner Arbeit umzusetzen. Es ist Motivation und Bestärkung – sowohl darin, dass Menschen sich mit ihren Charismen einbringen, als auch darin, einen Schwerpunkt auf die Evangelisierung zu legen. Wir ermutigen unsere Mitglieder, mit ihren Themen auf die Marktplätze zu gehen.
Ganz wichtig finde ich, experimentell arbeiten zu dürfen. Wir machen sowieso alle Fehler – und dürfen es nun auch hochoffiziell. Eine offene Frage ist, wie das Zukunftsbild noch mehr eingefordert werden kann. Was macht vor allem Frau, wenn das Zukunftsbild an einer Stelle nicht beachtet wird?

Ax

Durch das Zukunftsbild eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten in meiner Arbeit. Zum einen finanziell, zum anderen in einer beruflichen, fachlichen, professionalen Begleitung, die sonst nicht so möglich wäre. Zum Beispiel, dass im Dekanat Lippstadt-Rüthen ein mobiler Escape-Room gekauft und umgebaut werden darf und damit besondere Jugendarbeit gemacht wird. Außerdem ist nun klarer, dass die einzelnen Mitarbeitenden in ihrem Teilbereich agieren und das, was sie nicht können, von außen einkaufen sollen. Das ist ein kleiner Punkt, der aber zeigt, dass man qualitativ hochwertige Arbeit machen und sich mit Kirche sehenlassen kann, weil Kirche cool ist.
Persönlich finde ich am Zukunftsbild am schönsten, dass darin eine Haltung vermittelt wird, hinter der ich stehe. Ich kann die Werte in meiner Arbeit und als Mensch leben. Ich spüre, dass ich richtig im Erzbistum Paderborn bin. Da sehe ich es als meine Aufgabe, mehr zu vermitteln, wie das Zukunftsbild gelebt werden kann und, dass die Menschen Neues wagen dürfen.

Redaktion

Wie können die Bausteine des Zukunftsbilds noch besser umgesetzt werden?

Schmitz

Ich finde, dass Ehrenamtliche eine stärkere Lobby brauchen. Es braucht eine sorgende Person, die überprüft, ob das Zukunftsbild gelebt wird. Wenn wir auf die Themen blicken, sollten wir besonders die Evangelisierung stärken. Wir sind nicht als Klub für uns selbst da. Wir gehören immer raus, es gehört immer die Ausstrahlung durch außenwirksame Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit dazu. Ich wünsche mir, dass Evangelisierung bedeutet, dass ich auf mein Inneres schaue und aus der inneren Kraft rausgehe und Welt gestalte.

Ax

Wir sollten uns daran orientieren, was den Menschen gut tut, statt in Strukturen und richtig oder falsch zu denken. Viele Menschen suchen nach Halt, einem System, in dem sie sich bewegen können. Das endet oft in Schwarz-Weiß-Denken. Da müssen wir den Blick weiten.
Von der Bistumsleitung wünsche ich mir mehr Transparenz über die Dinge, die passieren. Dass klar wird, welche Schritte gegangen wurden, welchen Weg die Bistumsleitung geht und was sie an Bewegungsspielraum eröffnet, den wir nutzen können. Erst dann wird Evangelisierung möglich, weil die Menschen sich trauen, das Innere nach Außen zu kehren.

Redaktion

Frau Ax, Herr Schmitz, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Tobias Schulte.

Das Themenspecial

In den kommenden Wochen geht dieses Themenspecial der Frage nach, welchen Weg der Aufbruch genommen hat, der vor fünf Jahren seinen Anfang nahm. Wir sprechen mit Menschen, die den Weg des Erzbistums intern begleiten und auch mit jenen, die die Geschehnisse rund um Kirche von außen verfolgten. Wir stellen Projekte vor und rufen wichtige Ereignisse in Erinnerung.

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