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Unser Glaube
29. Februar 2020

„Der Schutz der Natur muss immer mitgedacht werden“

Themenspecial Klimawandel: Detlef Herbers zu aktuellen ökologischen Herausforderungen und der Enzyklika "Laudato Si"
Redaktion

Im Video zum 70-jährigen Jubiläum der Kommende sagten Sie sinngemäß: Was in den nächsten Jahren für uns wichtig werden wird, ist die Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus, also ein Anpacken sozialer und ökologischer Themen. Warum?

Detlef Herbers

Für uns als kirchliches Sozialinstitut ist „Laudato Si“ eine programmatische Schrift, die aufzeigt, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Papst Franziskus spricht von einer integralen Ökologie, die soziale und ökologische Fragen sehr eng miteinander verknüpft. Als katholisches Sozialinstitut stellt sich uns damit der Anspruch, wie wir die ökologischen Themen in die bisherige sozial- und wirtschaftsethische Arbeit einbinden: Wie muss sich unser Verhältnis zur Umwelt ändern? Welche Rolle spielt die Natur für unsere sozialethische Positionierung für Gerechtigkeit und was heißt das für unsere Veranstaltungen? Wie können wir die ökologischen Herausforderungen noch stärker in das kirchliche Handeln insgesamt und in unseren Auftrag als Sozialinstitut integrieren?

Franziskus macht deutlich, dass wir vom Menschen nicht sprechen können ohne auf sein Verhältnis zur Natur einzugehen. Dazu formuliert er einen überraschenden Satz in Laudato Si: „Das Menschsein gründet auf drei fundamentalen, lebenswichtigen Beziehungen: Die Beziehung zu Gott, zum Nächsten und zur Erde.“ (LS 66) Wir sprechen immer davon, dass Gottes- und Nächstenliebe zusammengehören. Franziskus ergänzt die Beziehung zur Erde dazu. Bei Franziskus ist das alles gleichrangig und eng verwoben gedacht. Sie können die Aussage auch radikalisieren: Unsere gegenwärtigen Probleme und Ungerechtigkeiten – Franziskus spricht vom Leid der Erde und der Armen – wurzelt im Verlust der Beziehungen zu Gott und zur Erde.

Redaktion

Wie begründet Franziskus diese Gleichrangigkeit?

Detlef Herbers

Es ist ja ein Faktum, dass wir von der Schöpfung abhängig sind. Es gibt kein Leben ohne die Schöpfung. Schöpfungstheologisch, so Franziskus hängt in der Schöpfung alles miteinander zusammen. In dem Moment, als wir uns von der Natur entfernt haben und sie ein Objekt bzw. Ressource für unseren Wohlstand wurde, hat sich unser Verhältnis zu ihr völlig gewandelt, wir haben sie instrumentalisiert. Franziskus pocht darauf, dass die Natur und all ihre Geschöpfe einen Eigenwert haben. Sie sind alle Geschöpfe Gottes und haben von da aus ihre Würde und ihren Wert. Und es gibt kein gelingendes Menschsein, wenn wir die Schöpfung, von der wir ein Teil sind, vergessen. Der innovative Gedanke von Franziskus ist also der, die Ökologie insgesamt mitzudenken und in unserem Handeln zu berücksichtigen.

Redaktion

Oft werden ja ökonomische und ökologische Aspekte gegeneinander ausgespielt, zum Beispiel Arbeitsplätze gegen Nachhaltigkeit…

Detlef Herbers

Franziskus würde sich weigern, das Soziale gegen das Ökologische auszuspielen. Er sagt, dass wir das gleichzeitig gelöst bekommen müssen. Die Herausforderung wird also komplexer und führt zu komplizierten politischen Verhandlungen.

Redaktion

„Laudato si“ ist 2015 erschienen. Was hat das Schreiben bisher bewirkt?

Detlef Herbers

Ich würde sagen, dass Franziskus mit „Laudato Si“ nicht nur eine faszinierende Vision geschrieben hat, sondern die Enzyklika mit einem geschickten Marketing verbunden hat. Das Schreiben kam heraus im Vorfeld des UN-Gipfel zu den Milleniumszielen („SDGs; Agenda 2030) und des Pariser Klimagipfels 2015. Man weiß heute, dass die Vatikanische Diplomatie mit den Reden und Schreiben von Franziskus ganz entscheidend den letzten Kick für die Beschlüsse des Pariser Gipfels gegeben hat. Laudato Si hat 2015 richtig Wirkung gezeigt, auch außerkirchlich, in der Wissenschaft, Politik und den NGOs.

Redaktion

Also war der Effekt nach außen größer als nach innen?

Detlef Herbers

Das ist schwierig zu bewerten. Die Wahrnehmung außen war im ersten Moment viel größer als innerkirchlich. Selten hat ein päpstliches Schreiben außerhalb der Kirche so viel positives Echo gefunden. Innerkirchlich wirkt Laudato Si in der deutschen Kirche, indem die Umweltschutzbemühungen dort Auftrieb bekommen haben. Die DBK hat 2018 ökologische Handlungsempfehlungen veröffentlicht (Arbeitshilfe „Schöpfungsverantwortung als kirchlicher Auftrag“). Diese enthalten sehr konkrete Selbstverpflichtungen der Bistümer, für den Klimaschutz und die Schöpfung tätig zu werden. Insofern kam die innerkirchliche Wirkung vielleicht etwas später, ist aber nachhaltiger. Bis das aber in die Ehrenämter und die Pastoralen Räume durchgesickert ist, wird es sicher noch dauern.

Redaktion

Ist die innerkirchliche Wirkung auch deshalb nachhaltiger, weil die Ziele des Pariser Klimaabkommens in der großen Politik nicht eingehalten werden?

Detlef Herbers

In der internationalen Diplomatie merkt man gerade, wie schwierig es ist, das, was man sich mit dem Pariser Gipfel gemeinschaftlich auf die Fahnen geschrieben hat, in politisches Handeln umzusetzen. Außerdem haben wir – nicht nur bei diesem Thema – international einen Roll-Back, in autokratischen Regimen und auch in Demokratien wie in den USA mit Präsident Donald Trump.

Die ökologische Frage ist eine dramatische Frage. Auf dem Klimagipfel in Paris wurde gesagt: „Wir haben nur noch wenig Zeit“, doch seitdem gibt es keine Trendwende. Umso wichtiger ist es, dass die Kirchen als Großgemeinschaften und in Deutschland als große Arbeitgeber dynamisch vorangehen. Die Handlungsempfehlungen sprechen von einer Vorreiterrolle. Generalvikar Hardt spricht in der Broschüre zum Klimaschutzkonzept des Erzbistums von einer „Kultur des Nachahmens“. Das bringt die Vorbildrolle der Kirche auf einen schönen Begriff.

Das Problem, das ich aber sehe: Die wenigen, die schon auf dem Weg sind, erleben Frustrationen, weil die Veränderung so zäh und langsam ist. In den Handlungsempfehlungen der DBK steht auch, dass wir die Menschen mit positiven Beispielen mitnehmen, so dass die Aktiven vor Ort sehen, wie sinnvoll ihr Handeln ist und Bestätigung erfahren. Es ist ein sehr zäher, langatmiger Prozess, der unter einem dramatischen Zeitdruck steht.

Redaktion

Und der ganzheitliche Blick auf das Thema  macht es auch nicht leichter. Dann muss ich ja noch mehr beachten…

Detlef Herbers

Die Situation ist heute so: Der eine macht dies, der andere das, selten wird miteinander gesprochen, verständigt sich auf gemeinsame Ziele. So sind z.B. die Wissenschaften heute hoch spezialisiert, aber haben nur ihren eigenen Bereich im Blick. Als Theologe spreche ich davon, aus der Perspektive Gottes das Ganze als Schöpfung in den Blick zu nehmen – also quasi die Perspektive Gottes in die Debatten einzubringen. Oder – und das ist jetzt dezidiert theologisch –mit dem Apostel Paulus das Heil der Welt nicht nur auf den Menschen bezogen zu betrachten. Franziskus sagt: Der Mensch ist kreativ und frei, hat reflexives Bewusstsein und kann Gott loben – stellvertretend für die gesamte Schöpfung. Auch so könnte man die Verantwortung des Menschen gegenüber der Schöpfung betrachten.

Redaktion

Also dass ich als Mensch nicht nur um mich selbst drehe.

Detlef Herbers

Genau, die Menschen sind nicht nur für ihr Menschsein verantwortlich, sie haben – und das meint  die oft missverstandene Bezeichnung „Krone der Schöpfung“ – auch die übrige Schöpfung zu verantworten, erst recht, wenn sie gestaltend Einfluss auf die Schöpfung nehmen. Der Grund dafür: Es handelt sich um Gottes Schöpfung, Gottes Schöpfung ist gut, die Güter der Schöpfung sind für alle da, nicht nur für Einzelne, und alles hängt mit allem zusammen. Wenn ich den Zusammenhang zerreiße, führt das zum Leiden von Mensch und Natur. Diese Perspektive in unser gesamtes gesellschaftliches Handeln einzunehmen und einzufordern, wäre eine vornehme Aufgabe der Kirche.

Redaktion

Haben Sei Beispiele, wo diese Zusammenhänge zerrissen sind?

Detlef Herbers

Ein Beispiel wäre, dass wir hemmungslos die Ressourcen der Erde verbrauchen und das trotzdem nur wenige Menschen im Wohlstand leben. Wir missachten die Regenerationsfähigkeit der Erde. Bei Franziskus taucht zwischendurch der Gedanke auf, dass natürlichen Kreisläufe gewahrt werden müssen und dass wir die ökologischen Kreisläufen beachten und angesichts begrenzter Ressourcen leben müssen. Und nicht so zu tun, als wären alle Ressourcen endlos da, die natürlichen Lebensbedingungen beliebig veränderbar.

Wir sind davon abhängig, dass die natürlichen Zusammenhänge, die ökologischen Kreisläufe, die überhaupt Leben und Leben von Menschen ermöglichen, nicht zerstört bzw. dort, wo wir sie schon zerstört haben, geheilt werden. Menschliches Leben gibt es nur unter ganz bestimmten natürlichen Rahmenbedingungen, die über Millionen Jahre entstanden sind. Zum Beispiel die Konzentration des Kohlenstoffs in der Atmosphäre. Wenn wir das verändern, zum Beispiel durch CO2-Emissionen und Treibhausgase, gefährden wir die Rahmenbedingen, die komplexes Leben auf der Erde möglich machen.

Redaktion

Da gibt es auch Szenarien, wie lange menschliches Leben noch möglich ist…

Detlef Herbers

Das sind hochspekulative Szenarien. Man weiß z.B., dass die Braunkohle vor etwa 50 Millionen Jahre entstanden ist, sie ist gebundener Kohlenstoff. Wir schaffen es mit der Industrialisierung in 150 bis 200 Jahren, das, was einmal gebunden wurde und komplexes Leben möglich gemacht hat, wieder in die Atmosphäre zu geben. Das führt zu dramatischen Veränderungen. An den heute vorliegenden Zahlen der rasant gestiegenen Treibhausgase in der Atmoshäre kann man ja schon ablesen, dass ein Ungleichgewicht entsteht. Das fing vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg an, da gab es eine Dynamik, dass das Gleichgewicht auf der Erde durcheinander geraten ist. Wenn wir so weitermachen, werden wir Bereiche auf der Erde erzeugen, in denen kein komplexes Leben mehr möglich ist.

Redaktion

Sie haben die Industrialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg angesprochen. Ich frage mich, ob die Industrialisierung auch dazu geführt hat, dass wir ein „besseres“ Leben führen…

Detlef Herbers

Natürlich hat der Fortschritt auch große Vorteile gebracht. Er befreite von der totalen Abhängigkeit von der Natur, in der der mittelalterliche Mensch noch steckte. Das ist erst einmal ein sehr positiver Effekt. Man muss nur auf den medizinischen Fortschritt blicken, oder dass wir uns keine Gedanken darüber machen müssen, wovon wir uns im nächsten Winter ernähren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es dann aber zu ersten Beobachtungen, dass es der Umwelt nicht gut geht und dass der Fortschritt ambivalent ist. Seitdem fangen Menschen und Wissenschaften an zu begreifen, dass wir die Natur nicht einfach zum Objekt unseres Wohlstandes instrumentalisieren können, sondern dass es nur mit der Natur und unter Beachtung der ökologischen Rahmenbedingungen geht, die Leben ermöglichen. Seitdem befinden wir uns in einem zähen Prozess, unsere Lebensgewohnheiten und Produktionsprozesse zu ändern.

Seit den 60er Jahren gibt es eine Sensibilität für diese Fragen, ein Gefühl, dass es keinen unendlichen Fortschritt geben kann, dass die Ressourcen begrenzt sind. Das heißt: Wir müssen das Denken und Handeln, das bisher so positiv erfolgreich war, neu gestalten – ohne zurück ins Mittelalter zu wollen. Dazu braucht man neue Modelle von Technik, des Wirtschaftens, die im Einklang mit den natürlichen Lebensbedingungen auf der Erde stehen. Papst Franziskus gebraucht das Wort der Harmonie. Es braucht eine andere Haltung gegenüber der Natur – theologisch die Wiederentdeckung einer Schöpfungsspiritualität.

Redaktion

Wie kann das gehen?

Detlef Herbers

Das eine ist: Denken in Kreisläufen. Das ist das Urprinzip der Nachhaltigkeit: Das, was ich der Natur an Ressourcen nehme, muss ich wieder zurückzugeben. Das ist ja die Idee der erneuerbaren Energien: Sonne und Wasserkraft stehen uns endlos zur Verfügung, weil sie sich regenerieren können, im Gegensatz zu fossilen Energien.

Das andere: Wir brauchen einen völlig anderen Lebensstil, jenseits von Konsumismus und Wegwerfkultur. Wenn wir es nicht lernen, bescheidener zu leben, werden wir das Problem nicht lösen. Da hat ja gerade die Kirche eine Vielzahl an Traditionen mit Fasten, Mäßigung etc. Das ist ein riesiger Schatz bei der Suche nach einem anderen, maßvollen Lebensstil. Ohne diesen, nur mit technischen Lösungen, wird es nicht gehen.

Mit Verboten funktioniert das aber nicht, weil der moderne Mensch sich dann in seiner Freiheit eingeschränkt fühlt. Besser ist es, wenn Menschen erfahren, dass eine Veränderung des Lebensstils sinnvoll ist, weil man dann im Einklang, in Harmonie mit der Natur lebt.

Und es braucht die kleinen Schritte solcher neuen Erfahrungen. Den großen Schalter der großen Transformation, den man nur umlegen bräuchte, gibt es nicht. Die Kommende Dortmund ist im Sommer 2019 als Ökoprofit-Unternehmen zertifiziert worden. Ein nächster herausfordernder Schritt ist eine nachhaltige Küche, um die Verpflegung der Gäste umzustellen: regional, saisonal, weniger Fleisch, weniger Milchprodukte. Das geht nur in Abstimmung mit unserem Caterer, der seine Lieferketten neu organisieren, sein Personal schulen, das Angebot der Speisen neu zusammenstellen muss. ,Und wir müssen unsere Gäste mit ins Boot zu nehmen, denn ihnen muss am Ende das Essen schmecken und vermutlich müssen sie auch bereit sein, für eine ökologische Verpflegung etwas mehr zu bezahlen. Ohne Beteiligung und Mitsprache der Betroffenen gibt es keine Ökologisierung. Aber Beteiligungsgerechtigkeit ist ja ein grundlegendes Prinzip der Christlichen Sozialethik.

“Wir brauchen einen völlig anderen Lebensstil, jenseits von Konsumismus und Wegwerfkultur. Wenn wir es nicht lernen, bescheidener zu leben, werden wir das Problem nicht lösen. Da hat ja gerade die Kirche eine Vielzahl an Traditionen mit Fasten, Mäßigung etc. Das ist ein riesiger Schatz bei der Suche nach einem anderen, maßvollen Lebensstil. Ohne diesen, nur mit technischen Lösungen, wird es nicht gehen.”

Detlef Herbers, Diplomtheologe, ist stellvertretender Direktor der Kommende Dortmund und Referent für sozialethische Bildung

Themenspecial Klimawandel

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