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Erzbistum Paderborn
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Unser Glaube
08. Mai 2020

Bedingt systemrelevant?

Die Diskussion über öffentliche Messen zeigt: die eigentliche Frage nach dem Auftrag der Kirche ist nicht verpufft

Die Diskussion über öffentliche Messen zeigt: die eigentliche Frage nach dem Auftrag der Kirche ist nicht verpufft

Ein bisschen angespannt sei er schon gewesen, sagt Monsignore Dr. Michael Bredeck und erklärt: „Weil ich nichts falsch machen wollte.“ Dienstagmorgen, 8 Uhr, Hoher Dom zu Paderborn. Bredeck feiert seine erste Gemeindemesse seit knapp zwei Monaten. Seit Corona. Rund 40 Gläubige sind gekommen, mehr als sonst werktags. „Viele Menschen haben darauf gewartet, wieder die Eucharistie zu empfangen“, sagt der Priester. Und erzählt, wie er selbst mit Vorbehalten in die Messe gegangen ist.

Kein Gesang, 1,5 Meter Abstand, keine richtige Interaktion zwischen den Gläubigen. Und dann war da noch diese Zange, mit der die Heilige Kommunion würdig verteilt werden soll, die aber gar nicht richtig greift – und mittlerweile abgeschafft wurde. Gründliches Händewaschen mit Seife reicht auch.  Bredeck berichtet von einer „sehr gesammelten, konzentrierten Atmosphäre“ während der Heiligen Messe. Dann erzählt er, wie ihn nach der Messe eine Dame ansprach. Sie sagte: „Man hat gespürt, dass Gott am Werke ist.“ Da schnellten dem Priester zwei Fragen durch den Kopf. Ist das sonst nicht der Fall? Und: Habe ich das auch gespürt?

Forsch oder vorsichtig?

Seit dem 1. Mai dürfen in NRW offiziell wieder öffentliche Messen gefeiert werden – unter strengen Abstands- und Hygienemaßnahmen. Im Paderborner Dom, in der Werler Wallfahrtsbasilika und in anderen Gemeinden wurden so bereits Heilige Messen mit Gemeinde gefeiert. Andere feiern die Heilige Messe, ohne die Kommunion auszuteilen, laden zur Wortgottesfeier ein oder senden ihre Messen weiterhin ausschließlich per Livestream in die Wohnzimmer. Andere Kirchen, andere Konzepte.

In den Kirchen genauso wie in den Wohnzimmern vor dem Livestream bleibt die Herausforderung, die Heilige Messe im neuen Rahmen wirklich mitzufeiern. Es bleiben Bedenken, ob die Kirchen durch öffentliche Heilige Messen die Verbreitung des Virus befördern könnten. Die Angst, dass gerade ältere Menschen, für die die Heilige Messe Ritual und Kraftquelle ist, sich anstecken und sterben könnten.

Wer die Entscheidungen der Bistümer und Pfarreien beobachtet, entdeckt auch Parallelen zur Politik. Da sind die Forschen und die Vorsichtigen. Die, die loslegen und die, die lieber abwarten. Potential für Konflikte. Doch momentan, sagt Monsignore Bredeck, zuständig für die Entwicklung des Erzbistums Paderborn, tue das Bistum gut daran, die Situation nicht zu vereinheitlichen. „Es gibt vor Ort keine falschen Entscheidungen, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen gefällt werden.“ Je reflektierter und je mehr Menschen eingebunden werden, desto besser.

Webinar: Gottesdienste auf Abstand – (wie) geht das?

Um das Thema der öffentlich gefeierten Gottesdienste möglichst kontrovers und breit zu diskutieren, lädt der Bereich Glauben im Dialog sowie die Katholische Erwachsenen- und Familienbildung (KEFB) im Erzbistum Paderborn am Montag, 18 Mai, ab 19 Uhr zu einem Webinar an. Die Fragestellung: Gottesdienste auf Abstand – (wie) geht das? Melden Sie sich hier zum kostenlosen Webinar an.

Bedenken an der Realität messen

Deshalb gelte es nun, in den Pfarreien, die eher beginnen, Erfahrungen mit dieser neuen, anderen Form der Gemeindemesse zu sammeln. Nach dem Motto: Bedenken ernstnehmen und an der Realität messen.

Bredeck selbst sieht die Chance, dass in der Heiligen Messe ohne Gesang und Interaktion die Stille eine neue Bedeutung bekomme. „Wir haben die Möglichkeit, weniger pompös, weniger aktivistisch und mehr kontemplativ Eucharistie zu feiern.“ Er sagt, dass seine Bedenken, seine Vorbehalte im Vorfeld im Grunde genommen unbegründet gewesen seien. Er spricht von einer andächtigen und tiefen Atmosphäre. „Wenn ich mir aber vorstelle, bis nächstes Jahr Ostern unter diesen Bedingen zu feiern – dann weiß ich nicht, wie sich das auf Dauer anfühlen wird.“

Denn bei einem ist sich Bredeck in diesen ungewissen Zeiten sicher: Die Hygienevorschriften rund um den Mindestabstand von 1,5 Meter werden Kirche und Gesellschaft noch bis Ende des Jahres, vielleicht noch länger, begleiten. Gerade deshalb ist nun die Zeit, den Blick in der Diskussion rund um öffentliche Gottesdienste zu weiten. Ist Kirche nicht mehr als Gottesdienst? Im Prinzip ist es die Frage, die Bredeck und das gesamte Erzbistum Paderborn seit 2009 begleitet und umtreibt: Wozu bist du da, Kirche von Paderborn?

Nötige Sicherheitsvorkehrungen: Nur in jeder zweiten Bank und mit dem nötigen Seitenabstand kann Platz genommen werden. Foto: Till Kupitz

Wozu bist du da, Kirche von Paderborn?

Nun, in Zeiten von Corona, sei eines deutlich geworden, meint der Leiter des Bereichs Entwicklung und Kommunikation: „Dass die Politik Kirche als nur bedingt systemrelevant ansieht.“ Das sei auch erstmal gar nicht schlimm – es tue der Kirche vielleicht sogar gut, ehrlich zu wissen, wo man stehe. „Umso wichtiger“, sagt Bredeck, „ist es, uns zu fragen, wie und für wen wir denn relevant sein möchten. Das ist jetzt in der Krise noch viel wichtiger geworden.“

Monsignore Bredeck ist jemand, der in einem Gespräch viele spannende Fragen aufwerfen kann, die es sich zu stellen gelte. Umso spannender ist es, ihm diese Fragen direkt zurückzustellen. Dann erzählt er, wie er vor dem Interview über Einsamkeit in den Pflegeheimen und Krankenhäusern während des Besuchsverbots diskutierte. „Da ist schon die Frage“, sagt er, „ob die Bischöfe, Priester und Gläubigen vor Ort sich dafür eingesetzt haben, dass dort menschenwürdiges Sterben möglich ist. Dass Menschen nicht alleine sterben mussten?“

Kirche also als Dienst am Nächsten. Diakonische Pastoral. Ein Stichwort, das Erinnerungen an Richtungsstreitigkeiten innerhalb der Kirche wachruft. Insofern sagt Monsignore Bredeck: „Ich gehe davon aus, dass sich durch die Coronakrise die innerkirchlichen Themen noch verstärken werden.“ Genauso wie die Trends, die zur Zeit im Gange sind – zum Beispiel, dass immer weniger Menschen den Gottesdienst besuchen und es immer weniger Priester gibt.

Trends verstärken sich

„Wenn es mit dieser organisierten Form der Religiosität schwierig wird“, sagt Bredeck, „ist es umso wichtiger, dass Menschen ihre eigene Spiritualität, ihr Format entwickeln, damit der Glauben in möglichst vielen Herzen präsent bleibt.“ Die Livestream-Gottesdienste könnten zum Beispiel dabei geholfen haben, dass das (persönliche) Gebet in die Wohnzimmer zurückfindet. Oder, dass Menschen, die sonst nie werktags in die Messe gegangen sind, nun auch unter der Woche Gottesdienst mitfeiern. Bei seinem Vater, 80 Jahre alt, sei das der Fall, erzählt Bredeck.

Ein gutes Beispiel sei auch die eucharistische Anbetung im Paderborner Dom. „Wenn man regelmäßig die Kirche öffnet und eine Stunde am Tag das Allerheiligste aussetzt, dann zieht das Menschen an“, sagt Bredeck. Es sei zu spüren gewesen, wie durch die einzelnen betenden Menschen auch eine Gemeinschaft entstanden sei.

Damit das neu Gewachsene nicht vergeht

Außerdem zeige diese besondere Zeit, wie wichtig digitale Formate der Glaubensverkündigung sind. Da feiert die KHG Paderborn zum Semesterstart und Frauen zum Gedenktag der Hl. Katharina von Siena einen online-Gottesdienst. Sie zeigen, dass es eine Alternative zum Ausfallen lassen gibt. Gläubige sprechen im Internet von ihrer Geschichte mit Gott, feiern interaktive Videokonferenz-Gottesdienste. Priester legen auf YouTube das Tagesevangelium aus und erzählen auf Instagram, wie Heilige Vorbilder im Glauben sein können. Kurze Impulse, die gerade Jugendliche erreichen könnten, für die es einen hohen Aufwand bedeute, in ihrem vollen Alltag in die Kirche zu gehen.

Er hoffe nun, dass diese neuentdeckten Formen des Glaubens nicht abbrechen, sagt Monsignore Bredeck. „Dass das, was neu gewachsen ist, nicht vergeht, weil alles so wird, wie es vorher war.“ Aber vermutlich werde das auch nicht so kommen. „Persönlich und als Kirche werden wir in der Krise gelernt haben und daher wird es nicht mehr so wie vorher.“

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