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Erzbistum Paderborn
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Ansprache zum Diözesanen Forum am 21. November 2009

Zum Diözesanen Forum 2009 hielt Erzbischof Hans-Josef Becker eine programmatische Ansprache.

„Denn wir schauen aus nach dir“(Ps 33,22) – Schwerpunkte der pastoralen Entwicklung der kommenden fünf Jahre  im Erzbistum Paderborn

Auf einem Diözesanen Forum im November 2009 in Paderborn zog das Erzbistum Paderborn eine Zwischenbilanz zu den ersten fünf Jahren seines diözesanen Prozesses. Des Weiteren beschrieb Erzbischof Hans-Josef Becker in einer programmatischen Rede die Schwerpunkte der pastoralen Entwicklung im Erzbistum Paderborn für die Jahre 2009 bis 2014. Die Rede stand unter der Überschrift “Denn wir schauen aus nach dir”. Als zentrale Kategorie der Bistumsentwicklung in den kommenden Jahren führte Erzbischof Becker die “Pastoral der Berufung” ein.

 

Ansprache von Erzbischof Hans-Josef Becker im Wortlaut:

 

Die Ausgangsfrage: Wie soll es weitergehen?

Meine Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitbrüder!

Fünf Jahre lang ist mein Zukunftsimpuls vom Oktober 2004, die so genannte „Perspektive 2014“, nun in unserem Erzbistum auf vielfache Weise beraten worden. Sie alle konnten sich heute Morgen davon überzeugen, wie viele wichtige Erkenntnisse sich bei dieser umfangreichen Meinungsbildung herausgestellt haben. Ich habe am Ende des Vormittags einige zentrale Einsichten hervorgehoben, die mir durch die vielfältigen Beratungen der letzten fünf Jahre besonders wichtig geworden sind.

„Denn wir schauen aus nach dir“ war das Leitwort des Diözesanen Forums 2009.

Auf dieser Basis möchte ich heute Nachmittag eine Weiterführung der „Perspektive 2014“ vorstellen. Damit will ich auch auf eine Frage antworten, die mir immer wieder gestellt wurde: Wie will der Erzbischof denn nun mit den vielen vorliegenden Einsichten umgehen? Wie können Ergebnisse der vergangenen Jahre fruchtbar werden für die Weiterentwicklung der Pastoral im Erzbistum Paderborn? Oder ganz einfach gesagt: Wie soll es weitergehen?

Ich habe mehrfach von einem Einwand im Blick auf die „Perspektive 2014“ gehört: Dort werde lang und breit alles beschrieben, was es ohnehin gibt, und deshalb könne sich jeder irgendwie bestätigt fühlen. Mit anderen Worten: Alles könne so bleiben, wie es ist – es werde nur umfangreicher, differenzierter und müsse von immer weniger Personal geleistet werden.

Das Gegenteil ist der Fall. Ich betone ganz ausdrücklich: Der ‚Status quo’ unserer Pastoral führt uns nicht weiter und beantwortet die zentralen pastoralen Fragen und Herausforderungen nicht.

Viele Erwartungen an den heutigen Tag konzentrieren sich auf die Frage nach Prioritäten und Nachrangigkeiten in der pastoralen Arbeit unserer Diözese. Zu Recht erwarten Sie alle vom Bischof Aussagen in diese Richtung. Die Formulierung von Prioritäten und Nachrangigkeiten wird allerdings nur dann sinnvoll sein, wenn sie als Gemeinschaftsaufgabe der Kirche von Paderborn verstanden wird. Sie muss eine Verbindlichkeit beanspruchen können, der jedes Einzelinteresse unterzuordnen ist. Ich sage das sehr bewusst: Angesichts der vor uns liegenden Herausforderungen und Veränderungen kann sich niemand von dem, was vor uns steht, dispensieren. Jeder wird gebraucht! Und es wird kein pastorales Feld, keine Einrichtung, keinen Mitbruder, keine Mitarbeiterin – wo auch immer – geben, der oder die einfach sagen könnte: ‚Das geht mich nichts an, da mache ich nicht mit. Bei mir bleibt alles, wie es ist.’ Das geht nicht bzw. nicht mehr!

Dabei spreche ich Sie alle, die Sie heute hier sind, bewusst als Multiplikatoren in verschiedenste Bereiche des Bistums hinein an; als solche sind Sie ja auch eingeladen worden.

Meine Aussagen heute sollen nicht schon im Ansatz zu pragmatisch ausgerichtet sein. Ich möchte Freiräume eröffnen und bitte ausdrücklich darum, meine Impulse vor Ort kreativ umzusetzen. Mein Ziel ist es, in den kommenden Jahren zu verlässlichen und verbindlichen Rahmenbedingungen für das pastorale Handeln im Erzbistum Paderborn zu gelangen. Die Lenkungsgruppe ‚Perspektive 2014’ unter meinem Vorsitz wird den Weg zu solchen Rahmenbedingungen bis Ende des Jahres 2013 koordinieren.

Ich bitte angesichts der vor uns stehenden Herausforderungen also dringend um ein solidarisches Verhalten aller Beteiligten in unseren Pastoralverbünden, Gremien, Verbänden, Einrichtungen – und bei Ihnen allen, die sich als Priester,  kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder als Ehrenamtliche einsetzen. Es geht nur miteinander! Und dieses Miteinander muss verlässlich und verbindlich sein. Für diese uns alle verpflichtende Grundlage möchte ich heute werben.

 

Hauptteil: Die geistliche Perspektive: „Denn wir schauen aus nach dir“ (Ps 33,22)

Meine Damen und Herren! Schwestern und Brüder!

Wo soll es nun hingehen im Erzbistum Paderborn? Ich erinnere noch einmal an meine Ausgangsthese: Vom ‚Status quo’ her lässt sich nicht benennen, was zu tun oder zu lassen ist. Deutlicher formuliert: Es geht in den nächsten Jahren nicht darum, vom Bestehenden möglichst viel zu retten und zu bewahren. Schon die Themen und Anliegen, auf die ich am Ende des Vormittags hingewiesen hatte, machen das deutlich. Alle von mir genannten Punkte deuten auf Kräfteverschiebungen in unserer Pastoral hin, die notwendig sind.

Die bestehenden Herausforderungen sind groß. Ich kann gut verstehen, dass viele die Frage beschleicht: Wie sollen wir das schaffen? Mich beschäftigt diese Frage auch. Ich glaube: Das ist nur zu schaffen, wenn wir zunächst all unsere Überlegungen und ebenso unser Handeln unter die Perspektive unseres christlichen Glaubens an den lebendigen Gott setzen. Das kommt im biblischen Leitwort des heutigen Tages zum Ausdruck: „Denn wir schauen aus nach dir“ (Ps 33,22). Dieses Wort aus Psalm 33 soll auch über den kommenden fünf Jahren der ‚Perspektive 2014’ stehen. Eine andere Übersetzung (lt. Erich Zenger) lautet: „Denn wir strecken uns aus nach dir, o Gott.“ Da spricht der alttestamentliche Beter Gott selbst an. ER ist der Adressat. Und: ER ist das Ziel!

Ich werbe in diesem Sinne für eine grundlegende Neu-Fokussierung unserer Blickrichtung. Bei allen anstehenden Entscheidungen und Veränderungen in unserem Bistum möchte ich diese Glaubensperspektive als wichtigstes Kriterium stark machen und bitte Sie, dies mit mir zu tun. Das klingt zunächst vielleicht zu abstrakt oder zu fromm, wird aber doch konkret – und zwar sehr konkret bis hinein in die Festlegung von Prioritäten und Nachrangigkeiten der Pastoral! Lassen Sie mich dies in verschiedenen Schritten durchbuchstabieren:

  1. Die Grundlage: Die anstehenden Veränderungen als geistlichen Prozess, als Wachsen auf Gott hin, verstehen.

Ich glaube, dass die Ortskirche von Paderborn in den kommenden Jahren und Jahrzehnten bei allem, was geschieht, und bei allem, was geplant, entwickelt und entschieden wird, lernen muss, sich neu nach Gott auszustrecken – und zwar mit leerer gewordenen und vermutlich noch leerer werdenden Händen, was die zur Verfügung stehenden Ressourcen (etwa personeller und finanzieller Art) angeht. Ich sehe natürlich auch, dass die Zuversicht des Glaubens an Gott gerade durch die gegenwärtigen und sich in Zukunft weiter verschärfenden Rahmenbedingungen auf eine echte Probe gestellt wird.

Lassen Sie mich konkreter werden:

Die Einsichten der vergangenen Jahre zeigen mir: So gut wie alle Rahmenbedingungen des kirchlichen Lebens stehen heute zur Disposition. Die uns vertraute Sozialgestalt der Kirche schmilzt unter dem Einfluss der gesellschaftlichen Entwicklungen in einem atemberaubenden Tempo zusammen. Und damit vieles, woran die Herzen vieler Menschen hängen.

Das wirkt sich insbesondere bei der Glaubenssituation und der Weitergabe des Glaubens an die junge Generation aus, die als prekär bezeichnet werden muss. Hier herrscht auf allen Ebenen – auch bei den Priestern, Gemeindereferent/innen und Religionslehrern – große Betroffenheit und Ratlosigkeit.

In dieser Situation verwundert es nicht, dass viele Haupt- wie Ehrenamtliche an einem häufig empfundenen Missverhältnis von Aufwand und Ertrag ihrer pastoralen Bemühungen leiden. Da wächst manche Traurigkeit bis hin zur Resignation. Viele nehmen sich als erschöpft wahr. Und es entstehen auch Fragen nach dem Sinn all dessen, was wir tun.

Wir sollten ohne Beschönigung anerkennen: Unsere bisherigen Mittel und Wege, insbesondere im Bereich der Pfarrgemeinden, reichen ganz offensichtlich nicht aus, um den Glauben an den Gott Jesu Christi bezeugen und an andere Menschen – junge wie ältere – vermitteln zu können. Mittlerweile lebt ja die dritte (!) Generation von getauften Katholiken, von denen wir sagen müssen, dass sie in der großen Mehrheit „nicht praktizierende Christen“ sind.

Bis weit hinein in unsere Kerngemeinden, aber auch bei kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ja auch beim pastoralen Personal, ist Verunsicherung spürbar im Blick auf den Glauben an Gott selbst. Wie weit und wie lange wird er tragen, so fragen sich manche. Und: Geht Gott überhaupt noch mit uns?

Im Nachdenken über all diese Entwicklungen ist bei mir in den vergangenen Jahren immer mehr die Gewissheit gewachsen: Trotz aller Angst vor den Unsicherheiten und Auseinandersetzungen, die große Veränderungen im gewohnten kirchlichen Leben mit sich bringen, dürfen wir jetzt nicht einfach so weitermachen wie bisher. Wir würden unserer Verantwortung vor Gott und voreinander nicht gerecht. Letztlich würden wir uns selbst auf die Dauer bedeutungslos machen. Wir – wir katholische Christen im Erzbistum Paderborn gemeinsam – brauchen neue Zuversicht. Ja, wir brauchen die Überzeugung, dass der Glaube an das Evangelium nicht zu dem wird, als was ihn viele unter uns, selbst im binnenkirchlichen Bereich, schon ansehen: als Auslaufmodell. Diese ‚neue Zuversicht’ können wir allerdings nicht von uns aus herstellen oder entwickeln. Deshalb habe ich gesagt: Vor allem werden wir neu miteinander lernen müssen, uns erneut nach Gott auszustrecken und um seine Führung zu bitten: „Denn wir schauen aus nach dir.“ Nur in dieser Glaubenshaltung werden wir sehen können, was wir in Zukunft zu tun haben. Ich möchte Ihnen dabei vorangehen. Und das, obwohl auch ich nicht weiß, wohin genau der Weg uns als Ortskirche in den nächsten zehn, zwanzig Jahren führen wird.

  1. Der christliche Glaube: kein Auslaufmodell, sondern bleibende Hoffnung!

Ohne Zweifel lässt sich feststellen: Die massiven Veränderungen in der Kirche reichen tiefer als in rein organisatorische oder strukturelle Dimensionen hinein. Sie berühren den theologischen und geistlichen Kern dessen, wozu die Kirche da ist. Ich sehe in den anstehenden Veränderungen, in der Notwendigkeit zur Konzentration und zur Bildung von Prioritäten in aller Demut – offen gestanden – auch eine Chance für die Ortskirche von Paderborn und für das Leben aus dem Glauben an den dreifaltigen Gott: Jede Bewegung, jede Veränderung, ja jede Erschütterung kann für die Kirche auch eine Chance beinhalten: neu, vielleicht sogar wirksamer zu dem zu werden, was die Kirche ihrem Selbstverständnis nach ist: „Sacramentum Mundi“, ein wirksames Zeichen zum Heil der Welt, wie es das Zweite Vatikanische Konzil deutlich herausgestellt hat (z. B. LG 48 /59). Ich glaube an die Möglichkeit, gerade auf der vor uns liegenden Wegstrecke großer und einschneidender Veränderungen neu zu entdecken, wie sehr Gott auch heute und morgen mit seinem Volk, konkret: mit der Kirche von Paderborn, unterwegs ist – und darin mit jeder Gruppe, mit jeder Einrichtung, mit jeder Gemeinde, mit jedem Pastoralverbund und auch mit jedem einzelnen Christen in den neuen, zu Beginn des kommenden Jahres umschriebenen pastoralen Räume. Und zwar unterwegs zum Heil der Welt!

Erzbischof Hans-Josef Becker

Dabei muss ich eingestehen: Eine solche Sichtweise drängt sich nicht sofort auf. Denn wir erleben doch im Alltag genau das Gegenteil. Natürlich sind die demographischen, personellen und finanziellen Veränderungen, die die Sparmaßnahmen und Struktureingriffe erforderlich machen, der Kirche von außen auferlegt worden. Jedem – mir selbst auch – wäre es doch, menschlich gesehen, viel lieber, wir müssten uns solchen Veränderungen nicht stellen und könnten das Gewohnte in bewährter Manier fortsetzen. Ausgesucht hat sich diese einschneidenden Veränderungen wohl niemand. Und bewusst herbeigeführt schon gar nicht. Sie sind mit vielerlei Unsicherheiten, Ängsten, Ärger und Zumutungen verbunden. Das ist ja überall in reichem Maß zu spüren.

Ich bin überzeugt: Wenn wir die Haltung des ‚Sich-Ausstreckens nach Gott’ als Vorzeichen für unser Handeln in den nächsten Jahren nehmen, entstehen Fragen an unsere Ortskirche, die niemand zu leicht nehmen sollte – und das sind die Fragen, denen wir uns jetzt zu stellen haben: Wozu bist du da, Kirche von Paderborn? Wo liegen die Schwerpunkte deines Wirkens heute? Wofür setzt du dich ein? Welches sind deine Anliegen?

Diese Fragen bilden die eigentliche Herausforderung, auf die wir in den nächsten Jahren eine Antwort finden müssen. Es reicht nicht, wenn ich sie allein hätte. Vielmehr wird genau hier die bereits zitierte Gemeinschaftsaufgabe von Prioritäten und Nachrangigkeiten konkret. Ich glaube: Es wird dazu auch weiterhin eines umfassenden Verständigungsprozesses bedürfen: Dazu gehören das gemeinsame Nachdenken ebenso wie gemeinsames Gebet und Gottesdienst sowie ein geistlicher Austausch, in dem diese Fragen geteilt werden. Antworten auf diese Fragen finden wir nur aus dem Glauben an den Gott, der mit uns auf dem Weg ist, den Gott Jahwe, dessen Namen Martin Buber so übersetzt: „Ich bin da, wo du bist.“

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einen Aspekt nennen, der in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung hat. Wenn wir uns einig sind über diese Herangehensweise, dann bedarf es einer Haltung, die im pastoralen Alltag häufig ungewohnt ist. Ich beschreibe sie mit dem Wort ‚Innehalten’. Innehalten ist meines Erachtens eine wesentliche Voraussetzung für den gemeinsamen Prozess, nach Gott auszuschauen, sich nach ihm auszustrecken. Ich meine hier übrigens ein geistlich motiviertes Innehalten, das uns den Blick sozusagen von außen auf das Gewohnte und Eingefahrene richten lässt. Mit etwas bangem Herzen frage ich: Wird das möglich sein? Wird das akzeptiert? Wird es etwa in den neu umschriebenen pastoralen Räumen möglich sein, das übliche Programm zugunsten eines solchen Innehaltens zurückzufahren?

Wenn ich immer wieder betone, dass mit den größeren Räumen das Ende der bisherigen „additiven Pastoral“ gekommen sei, dann wird es hier sehr konkret. Ich halte einen solchen Schritt für die neuen pastoralen Räume für unumgänglich! Die Priester und die hauptamtlichen Laien in den Pastoralteams müssen Zeitreserven erhalten, um die anstehende Neuausrichtung der Seelsorge im großen Raum und die vielen damit verbundenen Entscheidungen sorgfältig, besonders auch im Gebet, zu erwägen. Zeitreserven entstehen nur, wenn man aus dem Hamsterrad immer neuer, einfach addierter, der Gewohnheit entsprechender Ansprüche und Erwartungen herausfindet. Die Pastoralteams und die Gremien haben aus meiner Sicht die gemeinsame Verantwortung, in dieser Richtung klare Entscheidungen zu treffen. Ich betone: Sie haben dazu meine Rückendeckung! Seitens des Bistums wird es deshalb in dem Begleitungsangebot, das den neuen pastoralen Räumen gemacht wird, ein Element geben, mit dessen Hilfe konkrete Nachrangigkeiten für die kommende Zeit vor Ort benannt und transparent gemacht werden sollen. Konkret rege ich heute an, in den Pastoralverbünden und insbesondere den neuen pastoralen Räumen eine Zeit lang, etwa in der gesamten Fastenzeit, das übliche Programm zurückzufahren zugunsten eines Innehaltens, um Freiraum zu gewinnen für eine nüchterne und schonungslose Analyse dessen, was Not tut im Sinne der Glaubenserneuerung und -vertiefung.

  1. Das zentrale Anliegen bei aller Veränderung: Das Weiterleben des Glaubens in unseren Breiten

Schauen wir nun noch genauer auf die inhaltliche Ausrichtung der Entwicklung des Erzbistums Paderborn in den kommenden Jahren. Aus meiner Sicht geht es vor allem darum, Sorge dafür zu tragen, dass der christlich-katholische Glaube in unserer Erzdiözese auch in 20, 30, 40… Jahren noch im Leben und vor allem in den Herzen der Menschen in unseren Breiten existiert. Es geht nicht so sehr um die Aufrechterhaltung kirchlicher Strukturen, Organisationen und Einrichtungen – so wünschenswert das vielleicht auch wäre! Auch wenn diese Aussage schmerzlich ist, so ist sie doch wahr. Denn die Aufgabe ist größer: Es geht um nicht weniger als um das Weiterleben des Glaubens in unserer Ortskirche. Dem Weiterleben des Glaubens in unseren Breiten dient alles, was haupt- und ehrenamtlich in der Kirche von Paderborn getan und geplant wird. Dem Fortbestand des Glaubenslebens haben sich alle Formen und Strukturen, auch die der neuen pastoralen Räume – und auch die der kirchlichen Verwaltung – in Dienst zu stellen!

Bei der Frage nach den bereits begonnenen und fortzusetzenden strukturellen Veränderungen und nach den Schwerpunkten in der Pastoral geht es also um ein Mehr an Glaube, Hoffnung und Liebe – auch wenn vielen das Ganze als reiner Strukturprozess erscheint, der aufgrund von äußeren Zwängen auferlegt wurde. Es geht um viel mehr als um Strukturen!

Unser Auftrag wird es sein, den kirchlichen Umbruch aus dem Anliegen des Weiterlebens des Glaubens zu gestalten. Geleitet von dieser Intention wird der schwierige Umbauprozess nicht in einem Zerfall der kirchlichen Strukturen und vor allem des Glaubenslebens hierzulande enden.

  1. Pastorale Prioritäten und Nachrangigkeiten auf geistlichem Hintergrund

Schwestern und Brüder!

Auf diesem Hintergrund ergibt sich aus meiner Sicht eine zentrale Priorität, für die ich Sie alle um Ihre innere Zustimmung bitte: Priorität in allem kirchlichen Handeln muss die Sorge um die Neuentdeckung, Vertiefung und Vitalisierung des Glaubens an Gott haben. Diese Priorität soll das pastorale Handeln auf allen Ebenen des Bistums prägen. Daraus ergibt sich automatisch auch die Stärkung und Profilierung aller Orte und Gelegenheiten, an denen unsere Zeitgenossen heute auf die Kirche treffen können. Das sind schon heute und werden erst recht in Zukunft viel mehr Orte sein als die bisherigen Pfarrgemeinden!

Alle Gemeinden, Einrichtungen, Verbände und jeden Einzelnen bitte ich, sich zu fragen: Wie lebendig ist der Glaube an den Gott Jesu Christi unter uns und in jedem einzelnen? Welche Rolle spielt er im ‚normalen Programmablauf’ – findet er da überhaupt noch seinen Platz? Was lässt sich tun, um den Glauben mehr als bislang ins Gespräch zu bringen, miteinander zu erfahren und zu vertiefen? Wie ansteckend wirkt der christliche Glaube auf Menschen, die auf der Suche sind? Als wie lebendig und kraftvoll lässt sich der Glaube an Gott erfahren, wenn Menschen auf unsere Gemeinden, Gruppen, Verbände, Einrichtungen, auf unsere kirchlichen Schulen, auf unsere Gottesdienste treffen? Wie können wir eine „Kultur des Willkommens“ ausprägen, die auf Menschen, die nach Gott fragen, anziehend wirkt?

Ausgehend von dieser Priorität gilt es, das Bewusstsein zu stärken, als Gemeinschaft der Kirche wie als einzelne Christen von Gott persönlich angesprochen und in die Gemeinschaft mit ihm und der Kirche hineingerufen zu sein. Diese Priorität entspricht vielem, was heute Vormittag zur Sprache kam: etwa die Notwendigkeit, hauptberufliche wie ehrenamtliche Mitarbeiter/innen in der Kirche gut auszubilden und zu begleiten – sie vor allem zu befähigen, über ihren Glauben zu sprechen, ihre Glaubensfragen und Glaubenszweifel ernst zu nehmen, ihr Leben und das, was dazu gehört, mit Kategorien des Glaubens deuten zu helfen. Ich meine, diese Priorität sollte sich in allen Aktivitäten, vor allem aber in den Schwerpunktsetzungen, widerspiegeln.

  1. Diözesanentwicklung als Berufungspastoral: Berufung als Zentralkategorie diözesaner Erneuerung und Weiterentwicklung

Schwestern und Brüder!

Um unser pastorales Handeln in die Richtung der genannten Priorität zu entwickeln, ist die bewusste Rückbindung all unseres Tuns an einen zentralen Gedanken aus der Mitte unseres Glaubens sehr hilfreich. Ich denke dabei an den Aspekt der Berufung aller Getauften. Wir alle sind durch Taufe und Firmung in die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott hineingerufen und sind dadurch Glieder am Leib Christi – jeder entsprechend den Gaben, die ihm oder ihr mit auf den Weg gegeben wurden. Diese Charismen gilt es, angesichts immer komplexer werdender Aufgaben und stetig steigender Anforderungen gut zu kennen, entsprechend auszuprägen und zu fördern. Dieser Aufgabe dienen alle Hilfsinstrumente, die in den letzten Jahren auch in unserem Bistum nach und nach gefördert wurden, etwa Supervision, Coaching oder Mitarbeitergespräche.

Vielleicht empfinden Sie den Hinweis auf die Bedeutung des Berufungsgedankens als zu herkömmlich oder altbacken. Doch wie weit prägt er eigentlich den kirchlichen Alltag vor Ort? Wenn ich den Gedanken der Berufung als zentrale Kategorie der Bistumsentwicklung in den kommenden Jahren stark mache, dann denke ich an das bekannte Gebet von Kardinal John Henry Newman, dem bedeutenden englischen Konvertiten des 19. Jahrhunderts, in dem es heißt:

 

„Ich bin berufen, etwas zu tun oder zu sein, wofür kein anderer berufen ist.

Ich habe einen Platz in Gottes Plan, auf Gottes Erde, den kein anderer hat.

Ob ich reich bin oder arm, verachtet oder geehrt bei den Menschen,

Gott kennt mich und ruft mich bei meinem Namen.“

(Meditations and Devotions, London 1954, pp. 216 f.)

 

Kardinal Newmans Überzeugung von der einzigartigen Berufung jedes einzelnen Menschen, die sich dann in der jeweiligen kirchlichen Sendung  manifestiert, muss sich in unserem pastoralen Handeln, in den Konzepten und im Nachdenken unserer Gremien und Räte widerspiegeln. Jedes Engagement in der Kirche ist Ausdruck der Berufung des einzelnen und der Gemeinschaft durch Gott. Das gilt auch für ehrenamtliches Handeln, das sich in Zukunft deutlicher in Richtung eines christlichen „Engagements aus Berufung“ entwickeln wird. Menschen, die eine bewusste Entscheidung aus dem Glauben an Gott getroffen haben, werden in Zukunft mehr und mehr das Gesicht der Kirche vor Ort prägen. Dort, wo es solche Menschen gibt, bleibt die Kirche lebendig. Mit einem starren Anspruchsdenken und der Pflege einer ‚Versorgungsmentalität’ wird die Kirche jedenfalls nicht lebendig bleiben!

In diesem Sinne verstehe ich die Entwicklung unserer Diözese in einem umfassenden Sinne als Berufungspastoral – und zwar auf allen Ebenen. „Berufung“ ist eine Grundkategorie im Zusammenhang unseres Glaubens an einen Gott der Menschen, der in die Geschichte dieser Welt eingetreten ist und in ihr handelt. Wir sind seine Verbündeten im Dienst am Heil der Welt. Wir alle sind seine Mitarbeiter/-innen.

Sie, liebe Schwestern und Brüder, sind – so gesehen –  nicht in erster Linie Mitarbeiter des Bischofs, des Pfarrers oder des Geschäftsführers, sondern zunächst einmal und vor allem Mitwirkende Gottes, wie der Apostel Paulus es ausdrückt (1 Kor 3,9 / 2 Kor 6,1). In diesem Sinne wünsche ich mir eine bewusste Weiterentwicklung eines fundierten Kirchenbewusstseins: Denn wir alle bilden die Kirche Gottes – die Kirche ist kein Gegenüber, keine fremde Institution, sondern der Lebensraum, in dem wir beheimatet sind und der dazu beiträgt, dass das Reich Gottes unter uns wächst und reift. Darin dürfen wir – mit Gottes Hilfe – mitwirken! Oft genug, seien wir uns dessen bewusst, vor allem mit leeren Händen …

  1. Ehrenamt, Priester, hauptberufliche Laien – Zur Stärkung der vielen Berufungen in der Kirche

Schwestern und Brüder, gehen wir einen Schritt weiter: Das gemeinsame Sich-Ausstrecken nach Gott wird konkret in der Stärkung der vielen Berufungen in der Kirche. Damit bin ich bei der Differenzierung des Berufungsgedankens, der uns alle miteinander verbindet. Ich möchte drei Gruppen von Berufenen, besonders ansprechen. Sie alle, Schwestern und Brüder, gehören zu wenigstens einer dieser Gruppen!

Da sind zum einen diejenigen, die wir heute die „Ehrenamtlichen“ nennen:

Vielleicht macht dieser Begriff selbst schon auf eine Problematik aufmerksam. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass sich im kirchlichen Bereich in Zukunft das „Ehrenamt“ noch stärker aus dem Gedanken der Berufung aus Taufe und Firmung heraus entwickeln wird. Die Wahrnehmung, dass immer weniger Ehrenamtliche zur Verfügung stünden, bezieht sich ja vor allem auf den ‚Status quo’ im bisherigen Gemeinde- und Verbändesystem – häufig geleitet von der Frage: Wer kann das bisher Bestehende auch in den nächsten Jahren aufrecht erhalten? Zu selten gibt es in, neben und zwischen den Gemeinden und den bisherigen Gremien Räume für ein Handeln getaufter Christinnen und Christen aus Berufung. Mitunter ist zu hören, dass es vor Ort nicht erwünscht, blockiert oder sogar nicht erlaubt wird.

Vielmehr wird es darum gehen zu fragen: In welche Richtung fließen denn die Kräfte des Engagements aus Glaube, Hoffnung und Liebe? Ehrenamtliches Engagement in der Kirche ist etwas anderes als in einem Verein. Es zeigt nach außen, dass im Inneren eines Getauften Gottes Ruf lebt! Gläubige Menschen in Gemeinden, Einrichtungen, Verbänden, Gruppen und Gremien wollen sich in dem, was sie auf der Grundlage von Taufe und Firmung in ihrem Glauben für sinnvoll halten, engagieren und sind bereit, sich dafür einzusetzen – sie müssen dies freilich auch tun dürfen. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich bei einem so verstandenen ‚Ehrenamt’ auch in Zukunft Menschen finden werden, deren geistliche, diakonische oder missionarische Kraft lebendig zum Tragen kommen wird. Eine richtig verstandene Berufungspastoral des Ehrenamts wird in dieser Hinsicht ganz neue Akzente setzen können und das bisherige pastorale Wirken wertvoll bereichern.

Da sind zum anderen – als zweite Gruppe, die ich nennen möchte – die Priester:

Sie, liebe Mitbrüder, sind als Getaufte durch die Weihe in sakramentaler Weise in Dienst genommen und vom Bischof in dieser besonderen geistlichen Berufung an die verschiedensten Orte im Erzbistum gesendet. Der skizzierte Weg einer künftigen Pastoral im Sinne einer umfassenden Berufungspastoral braucht Sie als die geistlichen Mentoren und Begleiter vor Ort.

Darf ich Sie darum bitten, sich in dieser schwierigen Umbruchszeit ganz biblisch als „Kundschafter“ (vgl. Num 13,2) zu verstehen? Ich weiß sehr wohl um viele Verunsicherungen unter Ihnen. Aus Überzeugung möchte ich Sie gerade in dem jetzt stattfindenden Priesterjahr bitten, Ihrer Lebensentscheidung für Gott zuzutrauen, dass Sie sich auch unter veränderten Bedingungen bewähren kann.

Ich hatte Sie, liebe Mitbrüder, im Rahmen des „Außerordentlichen Priesterfortbildungszyklus“ um Hinweise gebeten, wie ich für Sie förderlich tätig sein kann. In diesem Zusammenhang habe ich Ihre Bitte um Rückendeckung und Unterstützung aufmerksam gehört. In der Auswertung des Priesterfortbildungszyklus konnte ich deutlich wahrnehmen, dass sich viele von Ihnen von den Aufgaben im Bereich von Organisation und Verwaltung in den Pastoralverbünden überlastet fühlen. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass die derzeit laufende Überprüfung konkreter Verwaltungs- und Organisationsabläufe zu spürbarer Entlastung und Vereinfachung führen wird! Bis zum Frühjahr nächsten Jahres werden erste Vorschläge für diesen Bereich durch den dazu beauftragten Arbeitskreis vorgelegt werden. Mir ist klar, dass wir im Bereich von Organisation und Verwaltung zu Lösungen finden müssen, die Sie spürbar entlasten, um sich mehr Ihrem geistlichen Dienst widmen zu können. In diesem Zusammenhang gehe ich allerdings auch davon aus, dass künftige Formen der Entlastung von Ihnen solidarisch mitgetragen werden.

Sie haben in den Kursen der Priesterfortbildung auch Ihrer Sehnsucht nach mehr geistlicher Tiefe in Ihrem Alltag Ausdruck gegeben. Ich möchte Sie darin ausdrücklich unterstützen! Ich lege Ihnen ans Herz, sich bewusst Zeit zu nehmen für regelmäßige Exerzitien und Einkehrtage sowie für die geistliche Begleitung. Sie haben dazu ausdrücklich meine Erlaubnis, ja meinen Auftrag! Vielleicht kann das Angebot von ‚Exerzitien im Alltag’ für Priester in der kommenden Fastenzeit ein erster Anstoß zu einem geistlich motivierten Miteinander sein.

Und: Investieren Sie Zeit und Kraft in die Vorbereitung und Gestaltung von Gottesdienst und Predigt, insbesondere der so genannten Kasualien und der Sonntagseucharistie. Sie alle hier im Saal wissen, welche Bedeutung die Ausstrahlungskraft gerade unserer Gottesdienste für eine Erneuerung des kirchlichen Lebens hat!

Mit Sicherheit tut es auch gut, einen regelmäßigen Gesprächspartner im außerkirchlichen Umfeld zu haben, vielleicht sogar unter den Armen und Benachteiligten in unserer Umgebung. Dadurch kann sich mancher Blickwinkel weiten und unser geistliches Tun wertvolle Anregungen erhalten.

Liebe Mitbrüder, ich möchte Ihnen mit diesen Prioritäten Mut machen. Ich weiß, wie angefochten die priesterliche Berufung in allen Altersstufen heute oft ist. Aber umgekehrt bin ich mir auch bewusst: Wer, wenn nicht die Priester, sind gerufen, in diesen Umbruchszeiten mit Glaubenskraft voranzugehen und den Gläubigen Mut zu machen, neue Wege zu beschreiten!?

Auch den Diakonen kommt hier für ihr spezifisches Wirkungsfeld eine wichtige Aufgabe zu.

Gerade im Bereich diakonaler Zuwendung zum Nächsten und seinen Bedürfnissen ergibt sich immer wieder neuer Handlungsbedarf und auch ein Feld seelsorglichen Handelns, in dem Sie ein hohes Maß an persönlicher Erfüllung finden können!

Nun möchte ich schließlich Sie ansprechen, die Gemeindereferenten und Gemeindereferentinnen sowie alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im kirchlichen Bereich, vor allem auch in den zahlreichen caritativen Diensten und Einrichtungen unseres Bistums.

Sie haben sich für einen Beruf in der Kirche entschieden. Damit prägen Sie in besonderer Weise das Gesicht unserer Kirche, weil Sie in der Regel die ersten Ansprechpartner der Menschen mit Ihren Fragen, Anliegen und Nöten sind! Mit diesem Pfund gilt es zu wuchern. Das Bewusstsein, ein wichtiger Teil des konkreten Gesichts der Kirche für die Menschen zu sein, gilt es zunächst dankbar wahrzunehmen, dann aber auch auszubauen und zu stärken! Dabei brauchen Sie verlässliche und nicht willkürliche Rahmenbedingungen, in denen Sie wirken können!

Kurzum: Es wird in den nächsten Jahren verstärkt darum gehen, die Vielfalt der Berufungen im Volk Gottes zu stärken und all das zu intensivieren, was diese Berufungen fördert – und was das achtungsvolle Miteinander dieser Berufungen stärkt. Ein wichtiger Bestandteil dieser Stärkung ist für mich eine vertiefte Reflexion über das Zueinander von Weihe- und Taufpriestertum, von Priestern und Laien im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils – bis in ganz konkrete Vollzüge hinein. Einen Beitrag zu dieser Bewusstseinsbildung sehe ich in auch in den Aufgabenumschreibungen, die nach und nach für alle in der Pastoral Tätigen entwickelt werden sollen.

Wenn diese Ausrichtung unsere gemeinsame Priorität ist, dann wird dies zu einem Mehr an Glaube, Hoffnung und Liebe in unserer Ortskirche führen – und ich glaube, wie gesagt, auch, dass dann das, was jetzt für viele als reiner Struktur- und Organisationsprozess erscheint, zu einem Weg der geistlichen Erneuerung werden kann. All das, was diese Ausrichtung nicht stärkt und festigt, wird von nachgeordneter Bedeutung sein. Priorität hat demnach alles, was einer Stärkung der vielen Berufungen im Volk Gottes dient und zu einem entsprechenden Miteinander der Berufenen führt!

  1. Die Erneuerung der Pastoral von der Taufe her – Förderung der Taufberufung als pastoraler Schwerpunkt bis 2014

Schwestern und Brüder!

lassen Sie mich nun ein letztes Beispiel nennen, wie sich aus meiner Sicht in den kommenden Jahren, gerade in der jeweiligen Startphase der neuen pastoralen Räume, die Neuentdeckung und Stärkung der zentralen Kategorie „Berufung“ umsetzen lässt. Ich meine: Gelingen kann dieses Vorhaben durch eine Erneuerung der Pastoral von der Wurzel, also von der Taufberufung des einzelnen her. Mir geht es dabei um ein intensives Reflektieren der gemeinsamen Taufberufung, die übrigens auch die geweihten Priester und Diakone betrifft, etwa durch Glaubenskurse, Glaubensgespräche, Gottesdienste, wiederkehrende Elemente im Kirchenjahr, durch diakonischen Einsatz für einzelne oder Randgruppen – und zwar auf allen Ebenen: in den Pastoralverbünden, in den kirchlichen Einrichtungen, in den Gremien und Gruppen. Im Zentrum all dieser Bemühungen sollte die Frage stehen:

Was macht unser Christsein aus? Wo sehen wir uns wirklich verbunden mit dem Gott Jesu Christi? Wie weit kann Sein Sterben und Seine Auferstehung jeden einzelnen von uns prägen? Wie können wir Ihn heute wirksam und eindrücklich bezeugen? Und auch: Wo liegen unsere Schwierigkeiten im Glauben begründet?

Investieren Sie bitte in die Auseinandersetzung mit diesen Kernfragen unseres Glaubens! Dazu sind aus meiner Sicht Abstriche in allen anderen Bereichen notwendig. So kann dieser Ansatz eine Verschiebung der Energien im Gesamtbereich der Sakramentenpastoral mit sich bringen. Damit greife ich auch auf die Anregungen der „Arbeitsgruppe Rahmenkonzept Sakramentenpastoral“ zurück, die heute Vormittag zur Sprache kamen. Ich werde die beiden von dieser Gruppe entwickelten Texte [„Konturen einer künftigen Sakramentenpastoral“ sowie das „Rahmenkonzept zur Taufpastoral im Kontext der Taufe von kleinen Kindern“] ab 2010 in den diözesanen Beratungs- und Anhörungsprozess bringen.

Ich wünsche für die gesamte Pastoral, dass mehr als bislang verschiedenste Formen der Tauferinnerung und Tauferneuerung zur Anwendung kommen und Kreise ziehen. Das kann auch im Zusammenhang der Erstkommunion-, der Firm- und Ehevorbereitung geschehen. Das gilt mit Sicherheit für das gottesdienstliche Leben der Gemeinden und für die ‚normale’ Katechese und Verkündigung sowie für das caritative Engagement. Die Neuentdeckung der persönlichen Taufberufung könnte, da bin ich mir sicher, auch dem Sakrament der Buße und dem Sakrament der Priesterweihe neuen Glanz und eine größere Wirksamkeit verleihen.

Um es ausdrücklich zu sagen: Ich möchte, dass der Taufberufung des einzelnen in allem Engagement ein größerer Stellenwert eingeräumt wird als bisher!

Lassen Sie mich dazu abschließend einige konkrete Vorschläge machen:

Das Bischöfliche Wappen von Erzbischof Hans-Josef Becker

Zunächst geht mein Blick auf Möglichkeiten der geistlichen Vertiefung des täglichen Miteinanders. Ich beginne mit den Gremien ‚Pfarrgemeinderat’ und ‚Kirchenvorstand’, die ja jetzt mit ihrer Arbeit beginnen werden. Versuchen Sie – das ist mein vielleicht idealistisch klingender, aber doch sehr ernst gemeinter Wunsch -, Ihre Tätigkeit nicht direkt oder ausschließlich mit pastoralen Organisationsfragen und einzelnen Absprachen und Regelungen vor Ort zu beginnen. Nehmen Sie sich Zeit, sich nach und nach mit Ihren Glaubens- und Berufungsgeschichten kennen zu lernen! Lassen Sie sich gegenseitig an Ihren Überzeugungen, Hoffnungen, Fragen, Zweifeln und Sorgen teilhaben! Beten Sie miteinander, hören Sie auf Gottes Wort, halten Sie eine Zeit lang gemeinsam Stille! Ich bin überzeugt: Das Miteinander wird dadurch anders! Sitzungen und auch schwierige Entscheidungen nehmen dann einen anderen Verlauf. Denn ich mache mir schon Sorgen, wenn ich immer wieder höre, dass gerade die vorgenommenen Neuregelungen von Gottesdienstzeiten für so massiven Ärger sorgen. Wie sollen denn Gottesdienstzeiten verändert werden, wenn nicht zuvor miteinander überlegt wurde, warum es überhaupt wichtig ist, Gottesdienst zu feiern? Gottesdienst will doch grundsätzlich Menschen zusammenführen – vor Gott und mit ihm!

Im Blick auf die Pastoralteams oder auch auf andere verantwortliche Gruppen, etwa in Einrichtungen und Verbänden, schlage ich vor: Verbringen Sie gemeinsam einen oder mehrere geistliche Tage, etwa zu Beginn der Errichtung des neuen pastoralen Raumes oder anlässlich einer Neuzusammensetzung! Lernen Sie sich dabei gegenseitig als ‚Mitwirkende Gottes’ kennen! Ich möchte Sie eindringlich bitten, solchen Aspekten auch im alltäglichen Miteinander Priorität einzuräumen! Sie werden dabei von mir ausdrücklich unterstützt.

Diese Bitte richte ich auch an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in unseren kirchlichen Einrichtungen und Schulen, in den caritativen Diensten, in den Verbänden, aber auch an die Katecheten in den Gemeinden und in allen anderen Bereichen des so genannten Ehrenamtes: Investieren Sie auf allen Ebenen in diese geistliche Form des Miteinanders! Sie werden merken, wie sich das Miteinander im Glauben und im kirchlichen Handeln des Alltags spürbar verändert! So wird auf Ihrem, ja auf unserem gemeinsamen Tun Gottes Segen liegen.

Ich bin überzeugt: Unser pastoraler Alltag kann durch ein bewusstes Setzen des Schwerpunkts „Taufberufung“ und die damit verbundene geistliche Erneuerung und Vertiefung auf allen Ebenen deutlich entlastet werden. Dies geschieht dann,

  • wenn es in jeder Pfarrei, in jedem Verband, in jeder Gruppe, in jeder Einrichtung verlässliche Angebote zur Glaubensvertiefung, Glaubenserneuerung und zur kritisch-konstruktiven Auseinandersetzung mit dem Glauben gibt;
  • wenn wir aufs Ganze gesehen weniger Gottesdienste (v. a. die „Höchstform“ Eucharistie) feiern, aber diese dafür besser vorbereitet, würdiger, liebevoller, kraftvoller, auch im musikalischen Bereich;
  • wenn die Heilige Messe von neuem das wird, was sie von ihrer ursprünglichen Bedeutung her ist: Sammlung, Sendung und Heiligung – und weniger Verfügungsmasse von Ansprüchen und Gewohnheiten oder auch ein Forum der Selbstdarstellung jeder Art;
  • wenn es in jedem Pastoralverbund verlässlich an einem Abend pro Woche keine Sitzung, keine Aktivitäten, sondern das geistliche Angebot einer offenen Kirche gibt, vielleicht mit einem Nachtgebet oder Abendlob, einer Meditation, einer Anbetungszeit…;
  • wenn der Beginn und das Ende von Sitzungen aller Art anders – und zwar geistlich – mit den Inhalten der Konferenzen verknüpft wird;
  • wenn das persönliche und das freie Gebet insgesamt eine viel größere Selbstverständlichkeit im Gemeindeleben erhält;
  • wenn Priester, Haupt- und Ehrenamtliche sich in Fragen des persönlichen Glaubens und Glaubensvollzugs als ‚natürliche Verbündete’ erfahren und entsprechende Erfahrungen teilen;
  • wenn die oftmals irritierenden und belastenden Lebensfragen der einzelnen mit ins Gebet, in den Gottesdienst, ins Gespräch hineingeholt werden;
  • wenn auch Priester sowie Diakone und Gemeindereferenten/innen untereinander die Ebene des Formalen und Unverbindlichen überschreiten;
  • wenn in jedem Pastoralverbund, in jedem pastoralen Raum ganz selbstverständlich soziale und caritative Fragen und die Anliegen Bedürftiger in allen konzeptionellen Überlegungen vorkommen.

Vieles davon geschieht sicher schon. Ich möchte das ausdrücklich unterstützen und darum bitten, weiter in diese Richtung zu gehen!

 

Ausblick: Zur Weiterarbeit an der „Perspektive 2014“ in den kommenden Jahren

Schwestern und Brüder!

Ich hatte eingangs angekündigt, dass ich Ihnen heute eine Weiterführung der „Perspektive 2014“ vorlegen wollte. Erlauben Sie mir, Ihnen nun zum Abschluss auf der Grundlage meiner heutigen Überlegungen die Schritte der geplanten weiteren Arbeit an der „Perspektive 2014“ darzulegen.

Vom zentralen Gedanken der ‚Berufung’ her lassen sich zunächst die drei Zielfelder der „Perspektive 2014“, die ich im November 2004 in Schwerte benannt habe, nochmals neu und – wie ich finde – klarer in den Blick nehmen. Sie kennzeichnen die Konturen der pastoralen Entwicklung der nächsten Jahre. Diese Entwicklung wird:

  • geistlich sein (wie es das Zielfeld 1 formuliert): Aus dem Glauben an den dreifaltigen Gott leben und diesen Glauben neu ins Gespräch bringen.
  • Sie wird diakonisch sein (wie es das Zielfeld 2 ausdrückt): Die Zuwendung des Mensch gewordenen Gottes durch alle Phasen des menschlichen Lebens bezeugen.
  • Und sie muss missionarisch ausgerichtet sein: Als missionarische Kirche mit Gottes Geist die Welt mitgestalten – so ist das dritte Zielfeld überschrieben.

Mit der Fortschreibung der Pastoralverbünde ab 1. Januar 2010 werden diese drei Zielfelder neue, verbindlichere Bedeutung bekommen, so dass das gesamte pastorale Handeln auf den Prüfstand gestellt werden muss. Die genannten Zielfelder sollen in den Planungen der Teams und im Leben der Gemeinden, Pastoralverbünde und künftigen pastoralen Räume den roten Faden aller Bemühungen bilden. Das gilt übrigens auch für die Planungen auf Diözesanebene.

Für mich bildet dabei das erste Zielfeld den Kristallisationspunkt allen Engagements. Es hat – wie Sie gemerkt haben – auch in meinen heutigen Ausführungen die größte Aufmerksamkeit gefunden: „Aus dem Glauben an den dreifaltigen Gott leben und diesen Glauben (neu) ins Gespräch bringen“.

Meine Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder!

manche Ihrer Fragen sind sicher offen geblieben. Das eine oder andere brennt Ihnen gewiss noch auf den Nägeln. Sie werden gleich Gelegenheit haben, in den angekündigten Foren über meinen heutigen Impuls unter fünf Fragestellungen ins Gespräch zu kommen, die die wesentlichen Zukunftsfragen thematisieren.

Ich möchte aber vor den Foren Ihren Blick noch einmal auf die entscheidende Bewährungsprobe für all meine Ausführungen lenken: nämlich den Aufbau der neuen pastoralen Räume, die zum 1. Januar 2010 umschrieben werden. Das Gelingen der diözesanen Entwicklung als ‚Berufungspastoral’ wird hier gewissermaßen dem ‚Praxistest’ unterzogen. Ich werde mich zu Beginn des kommenden Jahres in einem Brief an die Priester, die hauptberuflichen Laien und die Ehrenamtlichen in den Gremien vor Ort wenden. Darin wird es um den Aufbau der neuen Räume und die Unterstützung durch die Dekanate und die Bistumsebene gehen.

Lassen Sie mich meine Ausführungen nun beschließen und zusammenfassend feststellen:

In den kommenden fünf Jahren wird die „Perspektive 2014“ den Charakter eines diözesanen Projektes erhalten. Dieses Projekt wird den Schwerpunkt des pastoralen Handelns in unserem Erzbistum in den kommenden Jahren bilden. Der Kern dieses Projektes ist die skizzierte Richtung der Weiterentwicklung der diözesanen Pastoral als „Berufungspastoral“. Bereits in den vergangenen Monaten habe ich verschiedene Mitarbeiter beauftragt, sowohl für die konzeptionelle Weiterarbeit an der „Perspektive 2014“ als auch für die Begleitung der neuen pastoralen Räume ein weit gefächertes Instrumentarium zu entwickeln.

Ich darf nun den Geschäftsführer der Lenkungsgruppe „Perspektive 2014“, Domvikar Dr. Michael Bredeck, bitten, Ihnen zum Abschluss dieses Impulses die bislang gedachten Umsetzungsschritte auf Diözesanebene vorzustellen.

Ich danke Ihnen von Herzen für Ihre Aufmerksamkeit und Geduld!

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